Die beklagen was zu unseren kalten Füßen nun ruhen mag
Da wir einst den Tod wünschten verächtlich
Wissend wie wir stets glaubten
Den müden Leichnamen dort unten
Nun aber klopfen wir uns hagestolz an die Brust
Wir wären die ersten Zeugen einer Apokalypse
Häschen in der Grube
Am Ende der Welten
Heute den Kaffee ausnahmsweise mit Zucker
Drei Teelöffel
*
(gießen heute / über verluste lesen weiter / gar nicht mal vom tod / die etlichen verluste legen sich übereinander wie zwanzig tortenböden / während man den letzten, den obersten zu verschlingen sucht, stößt einem der unterste auf / schon wieder? / wäre die frage / sodbrennen des schicksals? / wäre eine antwort)
Trotz des Gehens welches das Kommen seit einiger Zeit
In die dritte Liga geschickt hat
Absteiger und trotzdem weiter
Gehen spielend
*
Das Verlustieren keinesfalls der tägliche Verlust
Das Gehen kein Weg nur das weg
Oder eine Wegwegnahme
Stürzten zuerst ein die Wände
Oder die allzu optimistischen Stützpfeiler
Frage ich mich als Gast jener Party auf Zeit
*
Einmal auf der Gästeliste gestanden
Machte ich aus dem Glück einen Anspruch
Man vermeidet Warteschlangen
Wer immer allein ist wird verrückt
Obwohl er es eh schon ist
*
In mancher Nacht verliere ich den
Glauben dass nach der Ebbe wieder Flut
Und so das Vorbei zur Ewigkeit gerinnt
Die Lava älterer Freuden
Schwarz rau und bröckelnd den Hang hinab
Geflossen und schön anzusehen
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(gießen heute / nagelsmann gibt den mutigen / ich drücke die daumen / in dänemark darf man auf silbermöwen schießen / da bin ich nich für / wer auf sein fischbrötchen nicht aufpassen mag soll sich weißwürste kaufen / sagte schon genosse mahler / weiterhin jedoch bin ich für radikale taubenentfernung in limburg und auch anderswo / nach einen schönen buch über das saufen nun ein neues buch des selben schreiber auf dem nachttisch / über die verluste und das ein oder andere zurück auf null / gerne hatte rio da einst hingeschaut / ich muß aufpassen die worte nicht mehr zu lieben als menschen / schlaumeierle grüsst)
Aus aktuellen Anlässen, auch wenn die Zielrichtung und die Definitionen von Teilhabe oder Verantwortung oder Wunschdenken dieser Tage anders ausgerichtet sein mag denn dunnemals, hier als kleine Solidaritätsadresse eines Rentners die Scherben in Ihrer wunderbaren Roh- und Direktheit. Die Qualität eines Getriebes zeigt sich erst, wenn der Sand darinnen knirschen darf. Und ein Text oder Streik ist so lang wie er ist. Inklusive Wiederholung.
Letzten Montag in Lich im Rahmen einer Veranstaltung wieder ein paar kleine Texte von Peter Kurzeck gelesen. Und vor allem den da unten. Bin heute noch angefasst davon. Dank an eine der Mitstreiterinnen für die Weiterleitung und an den Verlag für das zitieren dürfen.
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„Einer der schreibt und dabei ist, ein Werk zu schaffen, ist wie ein Mensch, der auf einer Leiter steht. In beträchtlicher Höhe. Nur mit einem Fuß auf der Leiter. Mit dem anderen Fuß in der Luft. Über sich mit beiden Händen ganze Stapel von zerbrechlichem Zeugs. Traglasten, Traumgepäck, Streichhölzer, Dynamit, Felsblöcke, Stangen und Kisten, Schnee, Schneeflocken, Wassertropfen, Wolken und Wolkenschatten, Gedanken, Vogelfedern, lebendige Vögel, Sandkörner und Goldklumpen, die er zu halten versucht. Sind viele, sind schwer und wollen davonflattern. Fangen zu rutschen an. Die Leiter schadhaft und morsch, geradezu lachhaft die Leiter. Angebrochene Sprossen, fehlende Sprossen. Der eine Leiterfuß rutscht (vielleicht ist der Fußboden nass oder ölig), der andere Leiterfuß abgebrochen, zu kurz und deshalb auf einem Schemelchen, das auf einem leeren Karton steht, der das lang nicht mehr mitmacht. Und wackelt nicht auch das Haus? So also ist jeder Tag wieder die Situation eines Schriftstellers bei der Arbeit. Man soll ihm keine Ratschläge geben. Es hat keinen Sinn ihm mit Argumenten zu kommen. Man muß ihn gewähren lassen auf seiner halsbrecherischen Leiter.“ (Peter Kurzeck)
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Treiben mich um diese Worte, da ich jenseits der meist etwas masturbativen Schnellschüsse hier im Netz, versuche gerade auf Papier zu schreiben. Zusammenfassung. Aspekte. Rückblicke ohne Sentiment. Vorausschauen ohne feuchte Unterwäsche. Der Angst die Hand geben. Sammeln und nichts vergessen, aber manches weglassen besser. Zu viele mäandernde Gedanken bedürfen eines feinen Siebs. Allerdings nicht zu fein. Es bleibt mühsam.
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Und natürlich noch eine kleine Anekdote „triggert“ – oh Verrohung der Sprache – dieser feine Text in mir. In den letzten zwei ab und an recht schwierigen Sommern überließ mir ein Freund und Mitmusikant seinen Garten an der Lahn vor den Toren Gießens. Ich wollte da etwas zur Ruhe kommen und schreiben. Denken. Im ersten Jahr brach eine morsche Leiter unter mir zusammen. Die zweite Sprosse. Man hatte vergessen mich zu warnen. Im zweiten Jahr die erste Stufe der kleinen Treppe zum Geräteschuppen. Es hatte zwei Wochen durchgeregnet. Altes Holz verfault. Die literarischen Ergebnisse der Gartennutzung sind mehr als bescheiden. Noch. Aber ich habe fleißig gegossen, den Rasen und mich, die Rosen beschnitten und „Unkraut“ gezupft. Generell? Der Regen der letzten Monate soll ja die Grundwasserspiegel aufgefüllt haben. Wir bleiben dran.
In der Hoffnung die Lungen des Wolfes schwächeln heute Nacht
Lustige Schweinchen die wir waren
Recken wir die Nasen
Gen die vom Wind gepeitschten Himmel
Angekokelte Papierschnitzel rieseln auf uns nieder stets zu laut
Die geduldige Schwarte schwitzend Feuer fängt
Und wenn der Bauer die Weide betritt
Die Eimer schwenkend rechtens wie linker Arm
Das Kraftfutter immer noch überschwappt auf die fruchtbaren Äcker
Grunzend wir ihn mürrisch an:
„Machen Sie sauber! Gründlich!“
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(anläßlich franz kafka 100’sten schrieb die schriftstellerin teresa präauer in der sz angeregt durch „auf der galerie“ vom weinen ohne es zu wissen und ob so etwas gebe / denke ja / kann man sich auch ein haus aus papiertaschentüchern errichten, frage ich dann / denke ja / im deutschland dieser tage ganz gewiß / deswegen nennt man – zumindest wir boomer – das papiertaschentuch immer noch tempo / mach also hinne, schicksal)
Es hatte geregnet und es war neblig und strenger Frost
Und die Sonne schien als die Türe ins Schloss
Gefallen tu mir bitte einen Gefallen
Umschluss heute nicht
Die Zellentüre stand offen gen Flucht
Ohne Verzicht
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Zur Feier dieses Tages
Wankte er ins vorläufige Hotelzimmer
Handschuhe und Lesebrille vergessen
Unterwegs und der Brustkorb
Eng und enger durch diese hohle Gasse wird
Sie
Nicht mehr kommen geschweige denn
Aber Schweigen
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Heimkehr unter alte Decken
Der Kühlschrank steht offen leer
Draußen rumpeln Müllfahrer ihre Weckrufe ins Morgengrau
Freudig frustriert
An seiner Seite die welche tiefer schläft
Unter dem Kopfkissen
Seine Pistolen
Angedacht
Ständig müd‘
Nie erschöpft seine Gefallsucht
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(giessener varianten verschiedener positionen / heute und gestern schon scheint die sonne / frühe narzissen / vielleicht zu früh / reimen als selfie / tuchel trägt heute einen spezialschuh / kann mann machen / nach dem zeh bricht das herz)
(ein kleines poem, zusammengestellt aus zitaten, unerlaubterweise, aus dem großartigen bilderbuch „in der erinnerung sieht alles anders aus“. zum internationalen frauentag desweiteren grüsse aus avignon.)
(seltsam ist es dieser tage diesen in teilen fast schon euphorischen bericht zu lesen, da eine hoffnung nach sibirien reiste auf der suche nach erlösung vom ICH und der sehnsucht nach dem WIR / das folgende zitat auch von brigitte reimann: „man kann sich keine private welt schaffen, säuberlich getrennt von der, die uns umgibt.“/ weiß nicht mehr welche welt heute geburtstag haben könnte.)