bagatelle sechsunddreissig oder das waschmaschin*ius*a*um antwortet

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Traf gestern auf der Straße eine alte Waschmaschine

Ein harter Tod hatte sie ereilt

Aber sprechen konnte sie noch und ich

Fragte also was geschehen sei und sie antwortete

Leise so leise wie sie einst nach dem letzten

Schleudergang so leise

Was geschehen sei hatte ich also gefragt ach immer und

Immer ein langes Leben lang rotierte und rotierte ich

Bis achthundert Umdrehungen pro Minute

Um meine stets rotierende Mitte

Die freundliche Antwort

Und dann hätte es sie

Zerrissen flüsterte sie und ich fragte

Diese Teile diese zwei Teile da wenn man sie zusammenfügte wieder

Ob vielleicht dann

Nein nie denn in zwei Geschlechter sei sie zerteilt nun

Sogar in deren dreie nun ein kleines Diversum noch läge in der Mitte

Ob man mit Sternchen zwischen den Fragmenten Heilung

Eventuell wäre noch meine letzte Frage gewesen

Als die Waschmaschine sich endgültig totlachte und

Schrie

Ja der letzte Schrei der allerletzte ihrer wüsten Schreie

Man möge sich bitte bitte bitte entspannen

Und entfliehen den Bagatellen der Gegenwart zurück

In versunkenen Spaß

Eins bleiben

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PS: Widme die Bagatelle Elke Heidenreich und ihren aktuellen Einlassungen zur Sache Gendersprachhysterie. Muß man aber kuckeln nach im Netze. Während man unkorrekte Video gugge tue könne wolle. Esse eben Russenbrot. Gut lecker.

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bagatelle fünfunddreissig

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Gestern griff ich in meine Hosentasche

Suchte den Schlüsselbund trunken

Und fand lediglich

All die Lügen die ich mir im

Davonlaufen vor dem Leben

Dort hinein gelogen habe

Der Gürtel riß

Das Beinkleid rutschte

Und ein nackter Arsch grüßte

Den aufgehenden Mond

Bagatelle Donnerschlag

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PS: Warum haben die Finnen soviel musikalischen Humor? Rettet Wodka etwa den Verstand? Oder macht die Einsamkeit geselliger? Lob des langen Winters?

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Kinder an die Macht …

…. sang einst Grönemeyer mit einer Band in grausligen Klamotten.

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Eben schnitt ich die Hecke auf unserem Hinterhof. Belauschte dabei – die andere etwas lautere Seite – mit großer Freude folgendes Kindergespräch:

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„Hey, der heißt Gott!“

„Nein, mein Papa sagt der heißt Allah!“

„Nein, der heißt Gott. Das hat mein Papa gesagt.“

„Mein Papa sagt es heißt Allah!“

„Nee!“

„Doch weil Gott nämlich keine Freunde hat!“

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Habe trotz blühender Phantasieanfälle nichts dazu erfunden. Wir alten Säcke sollten den Nachfolgenden Vertrauen schenken. Die machen das.

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PS: Sollte jemand aus meiner Nachbarschaft auf dieser Seite landen und nicht einverstanden sein mit obigem Photo, dann ist das sofort gelöscht. Inschallah.

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bagatelle vierunddreissig

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unter den regenbögen

rasen wir hinweg

wegweiser ignorierend

abgebogen in einbahnstrassen

namens eigensinn

solange die kabel leiten

unser aller strom

weiter weiter

rollen wir

wohin auch immer

unter den regenbögen blinde zeiger nur

tickend

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PS: Damals in der Schule schrieben wir, will sagen mussten wir schreiben, sogenannte Bildbetrachtungen. Siehe oben.

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PS2: Dank und Kopierrecht für das Foto an die Liebste.

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bagatelle zweiunddreissig oder als der frühling unlängst auszufallen drohte

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Als in den letzten Wochen der Frühling

Auszufallen drohte

Fuhren sie beflissen

Die guten Hirten unserer kleinen Stadt

Palmen durch die Straßen

Und wir standen winkend an den Rändern

Arme ausgestreckt

Fäuste geballt

Köpfe gesenkt

Tücher vor den Gesichtern

Bierbüchsen unter den Achseln

Auf hohem Schuh

Oder nackend in geklauten Sandalen

Und fürchteten uns

Vor der Wucht des nächsten Karnevals der erwachten Leiber

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bagatelle einunddreissig oder von der arroganz der eigenen angst atme doch

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Las heute das Zitat eines Regisseurs

Eben achtzig Jahre geworden

Man betitelte ihn Enfant terrible Berserker Avantgardist einst

Als Theater noch in offene Ohren und Augen schreien durfte

Man nicht nur Oberflächlichkeiten verwaltete wie überzogene Konten

Flunschlippig

Gelernt habe er von den Dichtern Komponisten Malern

Die sein reiches Leben in Schwung gebracht

Der Mensch sei disparat fragmentarisch beeinflußbar

Das einzig Unzuverlässige

Garantiert

Sei der Mensch

Der Einzige garantiert Unzuverlässige in der Natur

Und dachte an den unfassbaren Lärm in der reichen Welt

Nein nicht aufheulende Motoren

Gröhlende Fußballanhänger

Schreiende Kinder

Kläffende Hunde

Brüllend volle Plastiktüten

Und exaltiertes Partyvolk

Müde Menschen lediglich die doch auch dachte ich nur

Nein der sekündlich anschwellende Bocksgesang der Klagen Vorwürfe

Die Schatzsuche nach der Truhe Bundeslade Erlösung Heil

Ewige Narren die wir sind doch und die letzte Antwort bleibt Bagatelle

Die Schuldfrage stets im Visier die schon in den Almanachen unserer Ahnen

Vor sich hin moderte unbeantwortet

Das Große Jammern nun da sich die Lebenswut wieder nähert unserer

Gelähmten Gesellschaft

Die Arroganz der eigenen Angst

Spielart eine nur der vielen Verzweiflungen

Disparat fragmentarisch beeinflußbar

An den Rändern des eigenen Tellers in Agonie

Selbst Eingebrocktes den Fremden auslöffeln lassen mögen

Oh nein der Schrei

Es gibt sie nicht die Guten

Nirgendwo und nirgends

Auf den Feldern der eigenen Endlichkeit

Bastarde vermeintlichen Wissens wir

Werden überleben müssen die letzten Tage ohne zu wissen

Einatmen

Ausatmen

Abwarten

Ich wünschte ich wäre ein Berg doch bin ich nur Mensch

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bagatelle dreißig / boomers lamento

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Vorbemerkung / Wenn ich so die Emanationen meiner Alterskohorte, also die Speerspitze der sogenannten Boomer, viele kurz vor und etliche schon drin in den Ruhejahren, lese, vor allem wenn noch die gute alte rote Fahne dezent oder eindeutig über den Texten flattert, und, geschätzter Leser, da rechne ich mich auch dazu, ist mir gerne frei nach Dylan, den ich diese Woche – Achtung Boomer, böses Jugendwort! – „abfeiere“, mal wieder in fremde Schuhe zu schlüpfen. Was ich im Folgenden aus aktuellerem Anlaß mit großer Freude tue. Sonst nix.

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Von den Elfenbeintürmen narzißtischer Kränkung

Belle ich hinunter einem waidwunden Muezzin gleich

Meinen Ekel an der Welt beschalle die Passanten Paare Hunde

Mit Gesängen von einer versinkenden Welt die so

Es nie gab denn in meinen pinkfarbenen Erinnerungen

Mit dampfendem Bügeleisen glätte ich die verknitterten Reste meines

Mit rot blinkendem Verfallsdatum versehenen Lebens

Turbogetrieben mich echauffierend über die Bagatelle

Unermüdlich über Bildschirme wischender Mädchenfinger

Phantasiere ich herbei immer noch

Unermüdlich das Ph den Banausen entgegen schreibend

Den Weltuntergang Erwachet

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Kinderlärm trifft meine sensible Seele härter als das

Brummen und Röhren der Bomberflotten die

Eltern einst in den Luftschutzkellern den Bunkern denen ich

Jahrzehnte lang den Großen Vorwurf vor die Spendierhosen geknallt

Abgründe Traumata maßgeschneidert handgearbeitet

Gedrechselte Einzelstücke stelle ich in das Schaufenster Reflektion

Angestrahlt in allen Farben des Selbstmitleides

In den Tagen und Nächten des Stöhnens und Lamentierens

VEB Eitelkeit

*

Niederlagen auf eigener Scholle selbstverschuldet Hingeschludertes

Wird erklärt ex cathedra in stolzgeschwellter Amnesie zu

Gloriosen Auswärtssiegen das entscheidende Tor eben selbst erzielt

Stets wird es gewidmet dem Heldentum der arbeitenden Klasse da

an den Stränden Griechenlands Hollands Goas vor den Geysiren Islands

Erholung finde ich vom Nachdenken über das arme Subjekt

Spieglein Spieglein an der Wand

*

Reckt jemand die Faust unter die Nase mir jedoch in Wortlosigkeit

Schlägt zu meine Tür verriegelt sich hastige Rolläden rauschen hinab

Der hektisch klappernden Tastatur schwillt der Bizeps und holt aus

Zu beidhändiger Rückhand gegen den Bedeutungsverlust

Halt an Zeiger oh halt an

*

Pflanzen wir doch Gurken

Oder

Helfen wir einem Kind

über die Straße

das alte Liedlein lediglich summend

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papa wann sind wir endlich zu hause mama der hat die hat ich hab aauaaa

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Ein Renault 4. Hellblau. Baujahr 1964 oder 1965. „Unser“ zweites Auto. Das erste war ein Leukoplast – Bomber gewesen, ein Lloyd. Wer mein Alter hat, erinnert sich an die Beschaffenheit der Rückbank eines R 4. Die Mittelstrebe aus Eisen. Eigentlich war das eine schlecht gefederte Gartenbank. Meine kleine Schwester musste in der Mitte sitzen. Mein Bruder meist hinter dem Fahrer oder der Fahrerin – meine Mutter war eine ausgezeichnete Autofahrerin, meinem Vater standen der Autofahrerei gerne seine schwankenden Launen im Weg – ich also saß auf der Beifahrerseite hinten. Das habe ich dann auch den Rest meines Lebens im Wesentlichen so gehalten. Ein Autolenkrad ward mir nie zum erstrebenswerten Fetisch. Freiheit geht auch anders. Und – sage ich mal frech – es gab einige die mich gerne chauffierten oder mitnahmen – Daumen im Wind – da ich wohl recht unterhaltsam sein konnte. Zigaretten und so rollen, Bier aufmachen, Witze erzählen oder einfach nur Stuss reden. Zurück in den Renault 4. Natürlich wurde gezankt auf der Rückbank. Manchmal so heftig, daß mein Vater nur noch eine Hand am Lenkrad hatte. Die andere, meist rechte, versuchte hinter ihm für Ruhe zu sorgen. Was wiederum meine Mutter nicht so schätzte. Dadurch war der Zank in den Fond gerutscht. Und weshalb ich mich daran erinnere? Weil die Zankerei auf der Rückbank meist dann eskalierte, wenn man kurz davor war zu Hause anzukommen. Eine lange Fahrt hatte man halbwegs entspannt überstanden, aber kaum sah man den Münsterturm der Heimatstadt am Horizont blinken, ging es ab da hinten. Mein Vater, der ein paar erinnerungswürdige Bonmots sein Eigen nannte, sagte dann gerne: „Wenn der Esel den Stall riecht, wird es ihm zu wohl!“

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Sah gestern – dies eine letzte Bemerkung zur Aktion der „53“ Dichtmacher – Maybritt Illner. Die Traurigkeit und Zerstörtheit von J. J. Liefers hat mich – bei aller Kritik an seiner extrem unbeholfenen Nichtrechtfertigung der blöden Aktion – fast schon wieder angerührt. Man muß wohl aufpassen auf den letzten Metern der schrecklich anstrengenden Reise auf der Rückbank nicht die Nerven zu verlieren. Dort ging es auch immer der kleinen Schwester am schlechtesten. Die musste auf der Eisenstrebe sitzen und bekam abwechselnd von rechts oder links einen ab. Und jammerte kaum.

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Oben das Foto meiner ersten Impfdosis. Mitte Mai werde ich durch sein, vorerst. Die mir dadurch neu zustehenden Rechte werde ich dann bei E – Bay an besonders Ungeduldige auf den Rückbänken unserer Republik versteigern. Davon kaufe ich mir ein Bier. Nee, zwei! „Well, I woke up this morning, I got myself a beer. Future’s uncertain and the end is always near.“

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