Posttraumatische Verbitterungsstörung

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Nein, das habe ich nicht erfunden, sondern gefunden, also gelesen in einer der beiden Gießener Lokalgazetten. Man hilft den coronagebeutelten Lesermännern und Leserinnenfrauen ja gerne, wo man kann, über die analoge Lebensstraße. Es gibt also eine Verbitterungsstörung, die unser aller Leben in einem der ärmsten Länder Europas, ach der ganzen Welt, zu bedrohen scheint. Gut, Mister Southgate, der die Drei Löwen fast schon jogilöwig in den posttraumatischen Elfmeteruntergang coachte, also in der einhundertzwanzigsten Minute eine paar Jungsche einwechselte, nur für den einen Schuß, der ihn ein Leben lang verfolgt hat, da sehe ich eine echte Verbitterungsstörung anrauschen. (Natürlich habe ich das wieder verpennt auf dem gemütlichen Sofa!) Aber was ist mit den armen Menschen, die letztes Jahr bis zu zehnmal zum Dm rennen mußten, mit Masken im Gesicht, um ein paar Rollen Clopapier zu ergattern? Oder den Kreuzgeimpften, die eigentlich von Anfang an Biontech eingefordert hatten? Und wir alle, denen seit Monaten die bösen, bösen Politiker die Reisekataloge aus den Händen schlugen? Und die ganzen ausgefallenen Revolutionen, von denen wir Rentner in saumseliger Erinnerungsmanie vor uns hin summen? Und Putin ohne den Großen Väterländischen Sieg? (Das Foto oben zeigt ein Plakat mit dem die hiesige DKP – ja so was gibt es noch – im letzten Kommunalwahlkampf plakatiert hat! Ernsthaft! Und jetzt sind die auch noch rausgestrecktes Zünglein an der Waage! Der Verbitterung Ade sagen quasi!) Und die ganzen Mimen, die anders besetzt wurden, als erträumt und erwartet, wo sie doch eigentlich und so weiter? Und plötzlich regnet es im Juli statt vierzig Grad? Und dann hat auch noch Uli Hoeneß einfach nur recht? Hallo? Geht‘s noch? Und vor allem, was ist mit Robert Habeck, der armen Socke, der sich von einer hochtönenden Karrieredame über den Löffel balbieren ließ und jetzt zusehen muß, wie seine Partei auf Normalmaß zurückgestutzt wird? Und Eintracht Frankfurt ohne Championsleague? Ach wären wir nie aus den Schößen unserer Mütter, die für uns den Schmerz der Geburt durch das Wochenbett trugen, gekrochen. Da fing es doch schon an mit der ganzen Verbitterung. Wir sind die anderen, die halt niemals dazu kommen, selbige auch zu sein. In derselben Zeitung las ich dann, daß der Verzehr von Bitterschokolade in den Coronatagen stark zurückgegangen ist. Man macht es sich also lieber süß. Echt süß! Und was heißt eigentlich posttraumatisch? Ich träumte und dann kommt der Postbote und schmeißt mir die Rechnung in den Briefkasten? Am Himmel hängt schon wieder ein Gewitter! Bitter!

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bagatelle zweiundvierzig / zwiebacken

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nun da die zukunft nur noch ein zwieback

vielleicht uns ist

vor dem zerkauen einzuweichen in lauwarme milch

nun da die zukunft keine schwarzwälder

kirschtorte mehr üppig getränkt mit schnäpsen

die wir weit ausholend unseren ahnen ins gesicht

schleuderten unsere tische zukunft reich gedeckt noch

waren damals

packt uns die angst vor einer zukunft

die uns nur mehr scheint zwiebacken

die wütende sahne im gesicht aber dem eigenen

sie empört uns indigniert

sollten wir aber gelernt haben

dass jede bagatelle

dass die zukunft der nachwachsenden

sich von der vergangenheit der

altvorderen

nur in der form unterscheiden wird

nicht der inhalt sich wandelt

verlust schmerz euphorie leid schmerzende glieder

einatmen

ausatmen

die hoffnung blind umklammert

eingeweichten zwieback schlürfend

durch einen strohhalm

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PS: Sie werden in den nächsten Tagen in London die neue Variante des kleinen Tierchens wohl weiterzüchten und uns – sincerely yours – über den Kanal schicken. Wir werden es nicht zu verhindern wissen, auch nicht mit Klagen und Barmen. Hoffe trotzdem, daß einer der sympathischsten Kicker ever, Mister (bald Sir?) Harry Kane noch zwei bis drei Tore schießt. Das Foto getätigt 2017 in GB. Einer der wunderbarsten Urlaube, in der Sprache der Nachwachsenden, ever!

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bagatelle neununddreissig

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also stehen sie weiter im türrahmen

ihre koffer schon vorausgeschickt

den fuß in der türe noch

salbadernd

den finger im bauchnabel

und streuen mehltau

auf ihre alten taten

und die neuen werke

ersticken unter ihrer agonie

keiner kommt rein

keiner mehr raus

totes haus

maden feiern feste

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Für Joachim Löw und all die anderen, die nicht erkennen können, wann ihre Zeit abgelaufen ist.

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bagatelle achtunddreissig

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als durch die alten folianten

noch worte die wir kannten

vom hirn ins herzelein rannten

und wir den bogen spannten

vom gestern bis ins abgestand‘ne bier

das heute trinken wir

und so wir schnell verbannten

gespenster absturzkanten

und blieben querulanten

vor uns’rem eig’nen bangen

der angst vor dem verlangen

wir nannten das unendlichkeit

und ruhten in fremden worten

an unbekannten orten

und auch in den folianten

die wir niemals erkannten

auf dieser reise ohne ziel

um zu begreifen ein leben

auf abgefahrenen pneus

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PS: Noch ein schönes Photo, welches die Liebste schoß. In Münster / Westfalen. Dort wird, erfuhr ich eben, eine Krimiserie gedreht. Wieder mal was gelernt.

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bagatelle sechsunddreissig oder das waschmaschin*ius*a*um antwortet

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Traf gestern auf der Straße eine alte Waschmaschine

Ein harter Tod hatte sie ereilt

Aber sprechen konnte sie noch und ich

Fragte also was geschehen sei und sie antwortete

Leise so leise wie sie einst nach dem letzten

Schleudergang so leise

Was geschehen sei hatte ich also gefragt ach immer und

Immer ein langes Leben lang rotierte und rotierte ich

Bis achthundert Umdrehungen pro Minute

Um meine stets rotierende Mitte

Die freundliche Antwort

Und dann hätte es sie

Zerrissen flüsterte sie und ich fragte

Diese Teile diese zwei Teile da wenn man sie zusammenfügte wieder

Ob vielleicht dann

Nein nie denn in zwei Geschlechter sei sie zerteilt nun

Sogar in deren dreie nun ein kleines Diversum noch läge in der Mitte

Ob man mit Sternchen zwischen den Fragmenten Heilung

Eventuell wäre noch meine letzte Frage gewesen

Als die Waschmaschine sich endgültig totlachte und

Schrie

Ja der letzte Schrei der allerletzte ihrer wüsten Schreie

Man möge sich bitte bitte bitte entspannen

Und entfliehen den Bagatellen der Gegenwart zurück

In versunkenen Spaß

Eins bleiben

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PS: Widme die Bagatelle Elke Heidenreich und ihren aktuellen Einlassungen zur Sache Gendersprachhysterie. Muß man aber kuckeln nach im Netze. Während man unkorrekte Video gugge tue könne wolle. Esse eben Russenbrot. Gut lecker.

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bagatelle fünfunddreissig

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Gestern griff ich in meine Hosentasche

Suchte den Schlüsselbund trunken

Und fand lediglich

All die Lügen die ich mir im

Davonlaufen vor dem Leben

Dort hinein gelogen habe

Der Gürtel riß

Das Beinkleid rutschte

Und ein nackter Arsch grüßte

Den aufgehenden Mond

Bagatelle Donnerschlag

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PS: Warum haben die Finnen soviel musikalischen Humor? Rettet Wodka etwa den Verstand? Oder macht die Einsamkeit geselliger? Lob des langen Winters?

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Kinder an die Macht …

…. sang einst Grönemeyer mit einer Band in grausligen Klamotten.

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Eben schnitt ich die Hecke auf unserem Hinterhof. Belauschte dabei – die andere etwas lautere Seite – mit großer Freude folgendes Kindergespräch:

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„Hey, der heißt Gott!“

„Nein, mein Papa sagt der heißt Allah!“

„Nein, der heißt Gott. Das hat mein Papa gesagt.“

„Mein Papa sagt es heißt Allah!“

„Nee!“

„Doch weil Gott nämlich keine Freunde hat!“

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Habe trotz blühender Phantasieanfälle nichts dazu erfunden. Wir alten Säcke sollten den Nachfolgenden Vertrauen schenken. Die machen das.

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PS: Sollte jemand aus meiner Nachbarschaft auf dieser Seite landen und nicht einverstanden sein mit obigem Photo, dann ist das sofort gelöscht. Inschallah.

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bagatelle vierunddreissig

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unter den regenbögen

rasen wir hinweg

wegweiser ignorierend

abgebogen in einbahnstrassen

namens eigensinn

solange die kabel leiten

unser aller strom

weiter weiter

rollen wir

wohin auch immer

unter den regenbögen blinde zeiger nur

tickend

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PS: Damals in der Schule schrieben wir, will sagen mussten wir schreiben, sogenannte Bildbetrachtungen. Siehe oben.

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PS2: Dank und Kopierrecht für das Foto an die Liebste.

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