Siebenmal ein Scheitern in die Welt rufen freudig / Liebe in Zeiten des Krieges / Reime aus dem Speisewagen / 05

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Konstanz / hinter der Hinteren Sonne / 11. März 2022

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5

Ich löschte alle Spuren

Riss mir aus den Rippen

Worte hysterisch müde

Feuerbrand

Ein Anderer hütet derweilen sorgsam

Kistenweise fremdes Leben

Finstere Leichtigkeit

Schlechter Wein gleich in Frankfurt

Was macht es so schwer sich für

Einen Sitzplatz

Entscheiden

Zu müssen

Können Sie sich bitte mal hinsetzen

Das ist ein Speisewagen und kein

Wandergebiet

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Siebenmal ein Scheitern in die Welt rufen freudig / Liebe in Zeiten des Krieges / Reime aus dem Speisewagen / 04

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Konstanz / hinter der Hinteren Sonne / 11. März 2022

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4

Lasse er mich in Ruhe

Eine Kurzmitteilung droht

Dann sprachen wir

Eine lange Stunde

Im Kreis herum

Bibabutzemann

Rumpelstilzchen

Morgen backe besser nicht

Auch keine kleinen Brötchen

Das Märchenbuch aufgeschlagen auf ihrer atmenden

Brust

Es schneit

Der Zug hält nicht in Fulda

Der dumme Hund

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Siebenmal ein Scheitern in die Welt rufen freudig / Liebe in Zeiten des Krieges / Reime aus dem Speisewagen / 03

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Konstanz / hinter der Hinteren Sonne / 11. März 2022

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3

Heute puhle ich mir

Erinnerungsfetzen

unter den Fingernägeln hervor

und sehe den Luftballon

Zuneigung

verschwindend platzen

unter schneeschweren Wolken

keine sanften Lieder

Trommelschläge noch gelegentlich

nervöse Finger klopfen

die Sprache der Liebe

wird zum Stammeln

Ratgeber wohlfeile

jeglicher Schnee schmilzt

erschrocken

wer diffundiert zuerst

ich nehme die Teile

mit

wohin

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Siebenmal ein Scheitern in die Welt rufen freudig / Liebe in Zeiten des Krieges / Reime aus dem Speisewagen / 02

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Konstanz / hinter der Hinteren Sonne / 11. März 2022

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2

Gestern jagten wir den

Wolken hinterher

ritten Luftponys

bis zur Erschöpfung

wund getippte Fingerkuppen

Lippen rauhe

Strahlung radioaktiv

Gedehnte Bänder

und das Sehnen

stolpern mit Stil

muß man erlernen

vor der Zeit

Den letzten Krieg

müssen wir alleine

Geh!

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Siebenmal ein Scheitern in die Welt rufen freudig / Liebe in Zeiten des Krieges / Reime aus dem Speisewagen / 01

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Konstanz / hinter der Hinteren Sonne / 11. März 2022

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1

Eine ausgelaufene Badewanne

Bin ich heute

Ausgesaugt

Leere Hülle

Hänge über einem Stuhl

Wie die lange Unterhose von gestern

Stinkend

Die Welle auf der ich ritt

Die letzten Wochen

Eine Tüte Meersalz noch

Überteuert

Der Sand knirscht zwischen meinen Zähnen

Der Schwanz eingeklemmt

Zwischen den Hinterbeinen

Geprügelter Hund

Heimatlos

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„Weltgewissen, du bist ein Fleck der Schande.“ (Volker Johannes Trieb)

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Martin Kippenberger / Krieg ist böse / 2 / Ausschnitt / Danke schön!

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Ah – oh!

*

Der fünfte Tag einer Kur soll ja besonders anstrengend sein. Vor allem wenn die Kur radikal abgebrochen wird. Es lebe der Rückfall!

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Aber der noch: Interview mit der neuen Verteidigungsministerin Barbara Schöneberger: LASST UNS WIEDER MEHR LACHEN!

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„Weia!“

„Wer spricht?“

„Ich, bester Ernst Albert!“

„Aha. Ausgeschlafen?“

„Geht so. Soll ich Sie wieder ablösen?“

„Freund Mahler, Du bist mir die Rettung.“

„Ich habe auch schon was mitgebracht.“

„Was denn?“

„Ein Poem!“

„Dann mal her damit!“

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Von Spiegelfechtereien auf Sachbuchebene

*

Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst

Wenn Ihr wüsstet

Das Maß ist voll

Liebe in den Zeiten des Hasses

Alles, was wir nicht erinnern

Nationale Interessen

Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näherkommen

Wer schweigt, stimmt zu

Was Politiker nicht sagen

Putins Netz

Die Heldin reist

Meine Schwester

Alt werde ich später

Dark Rome

Pfoten vom Tisch

… und nie kann ich vergessen

Bevor es zu spät ist

Wer älter wird, braucht Spaß am Leben

Alles muß raus

Anfänge

(Mahler und Ensemble / Ende März 2022)

*

„Nicht schlecht. Hast Du das im Winterschlaf geträumt?“

„Nee. Geklaut. Konkrete Poesie!“

„Bitte um eine Erklärung!“

„Ich stand vor dem Spiegel wie Sie. Das sind die Titel der Sachbuchliste von letzter Woche. Unveränderte Reihenfolge!“

„Du bist ein Fuchs!“

„Verzeihung, Ehrenwerter Ernst Albert! Seit wann duzen wir uns? Hinweg, oh mürber Zeitgeist!“

„Das tut mir leid. Übernehmen Sie, werter Archibald Mahler!“

„Mit Freude. Der Budnikowski scharrt auch schon mit den Löffeln. Wollen Sie sich noch verabschieden?“

„Ja. Denke das tut Not nach all den Turbulenzen dieses Jahres!“

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Der Anfang

*

Der Anfang kommt, wenn du wieder allein bist
Die Häuser sind dann dunkler als Höhlen
Und die Straße ist länger als das Leben
Und die Stadt ist größer als die Welt

*

Der Anfang ist eine Rose auf dem Pflaster
Der Anfang ist der Nebel überm Asphalt

Der Anfang der Liebe ist das Wort ich
Der Anfang der Liebe ist Angst

*

Der Anfang ist ein rostiges Messer
Der Anfang ist eine offene Wunde
Der Anfang ist eine Wölfin und wenn du kein Wolf bist

Dann ist die Stunde des Anfangs schon die Stunde des Endes

*

Der Anfang kommt, wenn du wieder allein bist
Deine Angst ist dein zweiter Schatten
Deine Liebe ist dein zweites Leben
Und die Nacht ist plötzlich weiter als die Welt

*

(Jörg Fauser / 1979 / Danke schön!)

*

Winke – Winke!

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Leben Luv Lee und der Flautenschieber

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Caravela / Lange Reihe 13 / St. Georg (HH) / 22. September 2021

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Sessho

*

Wir müssen leben mit unseren Lügen

Wir müssen die Preisschilder von den Schnäppchen kratzen

Und neu einpreisen

Unsere Gewohnheiten zwischen einem Gestern und

Keinem Morgen bevor der

Felsen

Stürzt auch auf unsere Hoffnungen

Der Nordnordwest wartet nicht

Auf die gesetzten Segel

Und den Katzenjammer

Land ho

(Gießen / vorgestern bis heute)

*

„Manchmal kletterst du morgens aus dem Bett und denkst, ich schaffe es nicht, aber du lachst innerlich – denkst daran, wie oft du dich so gefühlt hast.“ (Charles Bukowski)

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Auch wenn der Frühling kein Wert an sich ist, sondern eine Erscheinung, er tut gut. Das Licht. Doch schmähen wir nicht den Schatten. Der erzählt letztlich von der Sonne. Nur er. Sein Gegenentwurf ist schmerzlicher Sonnenbrand. Mit Folgen.

*

was würde ich tun ohne diese Welt ohne Gesicht ohne Fragen

wo Sein nur einen Augenblick dauert wo jeder Augenblick

ins Leere fließt und ins Vergessen gewesen zu sein

ohne diese Welle wo am Ende

Körper und Schatten zusammen verschlungen werden

was würde ich tun ohne diese Stille Schlund der Seufzer

die wütend nach Hilfe nach Liebe lechzen

ohne diesen Himmel der sich erhebt

über dem Staub seines Ballasts

was würde ich tun ich würde wie gestern wie heute tun

durch mein Bullauge schauend ob ich nicht allein bin

beim Irren und Schweifen fern von allem Leben

in einem Puppenraum

ohne Stimme inmitten der Stimmen

die mit mir eingesperrt

(Samuel Beckett / aus: Sechs Gedichte 1947 – 1949)

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Vor ein paar Wochen sah ich mein Traumschiff. Noch angekettet. Aber freundlich vor sich hin und her schaukelnd.

*

„Leben heißt: dunkler Gewalten Spuk bekämpfen in sich. Dichten: Gerichtstag halten über das eigene Ich“. (Heinrich Ibsen)

*

Das Leben Luv oder Lee? Wir entscheiden uns für den Flautenschieber.

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Konstanz – Staad / Jachthafen / 10. März 2022

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Manchmal ist Stolz halt fehl am Platz

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Stolperte unlängst über ein Zitat von William Blake. Sinngemäß schrieb er, ein Narr müsse konsequent ein Narr bleiben. Dies sei für ihn die einzige Möglichkeit zur Weisheit zu gelangen. Wenn dem so ist, habe ich in letzter Zeit ordentlich Bonuspunkte einsammeln können. Die einen nennen es sich zum Affen machen. Andere sprechen von Liebe. Oder mit Keith Richards: „At least you learned how to love a fool!“

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Schlaflose Nacht. Draußen stürmt es sich ein. Der Regen klatscht gegen die Fenster. Der volle Mond nicht zu sehen. Aber er ist spürbar da. Außerdem macht mein operierter Arm Sperenzien. Gute Gelegenheit die Stadt der letzten wirren und wilden Monate innerlich zu verlassen. So eine Art Schmerztransfer. Das ist in Ordnung. Wo der Schmerz akzeptiert wird, hat das Leiden keine Chance.

*

Denkpause. Mal schauen, wo danach gelandet wird.

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Der Zeigefinger erhebt sich

*

Wahre Liebe vergibt

Selbstliebe nie

Schrieb er in sein Tagebuch

Hundertmal

So wie man es ihm einst in der Volksschule

Beigebracht hatte

Fünfzehn Jahre nach dem Großen Krieg

Die fünf Finger des Vaters noch

Glühend im Gesicht

Er hat ihm vergeben

Lange schon

Nun brach er auf

die Liebe wiederzufinden

Jene die er

In den letzten Jahren besungen hatte

Diese eine besondere

Liebe

Das war er ihr schuldig

*

Du atomisierst mich

Das hatte er noch vergessen ihr zu sagen

Damals

Er kniete auf seinem abgestürzten fliegenden Teppich

Und begann sich einzusammeln

Noch war seine Brille

Beschlagen

*

(Gießen / Ende Januar)

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Drei Ambivalenzen

*

Die Erwartung des eigenen Todes

Macht die Menschen verrückt

Trennung ein Abgewiesen werden ist Sterben

Mit jedem Tag dem man einem Ende entgegen wandert

Gewinnt ein Gehen

Ein Gegangen werden

An Gewicht

Man wird verrückt vor Angst

*

Um sie wieder sehen zu können

Mußte ich sie vom Podest stoßen

Welches ich errichtet hatte

Bombenfest

*

Etwas nicht zu tun

Ist meine Spezialität

Sagte sie

Du wirst begeistert sein

Meinen Sockel kann man

Zusammenfalten

…..

Leere

*

Dir entfallen

Alle Worte

Rief mir zu

Im verregneten Wald

Eine erfrischende Leere

*

(Klinikum Konstanz / Ende Januar 2022)

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