Seit ein paar Wochen jeden Sonntag – ok, fast jeden Sonntag und wenn ich Lust und Zeit habe und nicht meinen Gemüsegarten gießen muß – ein kleines Stückchen Bob Dylan zum Frühstück. Oder Abendessen. Frisch verwurstete Texte. Oder altes Material. Eigener Mist. Fremder Mist. Fundstücke. Auch das alte Brot muß man essen können ohne zu würgen. Auf geht’s. Fast jeden Sonntag. Fast ist mehr als nüscht. Heute ist Samstag.
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Mein Ding
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Alles rast auf Mauern zu
Die Hoffnung ist nur Selbstbetrug
Kein Lied erkauft sich Änderung
Ich sitz‘ in diesem anderen Zug
Ein halbes Wort ist kein ganzer Satz
Es ist die Uhr mit der ich ring
Auch Du, Du bist schon lange fort
Ich denke dieses ist mein Ding
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Ich hätte nie gedacht, daß ich tue was ich tu
Daß ich lüge glücklich zweigeteilt
Daß es möglich ist so falsch zu sein
Daß mir jegliche Vernunft enteilt
Daß ich wiedermal dem eig’nen Spiegelbild
Ein letztes Ständchen sing
Daß ich nicht mehr weiß, wen ich zuletzt geküßt
Ich glaub auch dieses ist mein Ding
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Der Zug kriecht aus dem Bahnhof raus
Der Mandelstrauch verblüht
Ich schrei dem Rücklicht hinter her
Das in der Ferne verglüht
Ich pisse an den nächsten Baum
Polier den Ehering
Ich wache auf wie frisch gefoltert
Ich schätz auch dieses ist mein Ding
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Du warst voll Angst Deine Mauern hoch
Ich wollte sie zerbröckeln seh’n
Ich wollte, daß auf Deinen Wangen
Nur meine Lenden glüh’n
Nachdem ein Sieg errungen war
Die Fahne windstill hing
Geb‘ ich Dir Deine Haut zurück
Auch das ist jetzt mein Ding
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Ich seh‘ Dich immer wieder geh’n
Es zerfetzt mir mein Gedärm
Ich würde Dir so gerne folgen
Solang ich Deine Füße wärm‘
Ich blieb nie vor Deiner Türe steh’n
Weil dort ein Hinweis hing
Daß wer heimlich kommt ein Verbrecher ist
Auch dieses bleibt mein Ding
*
Das Einzige was mich mit Stolz erfüllt
Ich half Dir auf das Pferd zurück
Als Du erschöpft von einer Ohnmacht warst
Ging ich mit Dir ein kleines Stück
Ob ich ein Heuchler bin oder nur ein Narr
Gar Dein Herzensschmetterling
Abgebroch’ne Flügel wachsen nach
Auch dieses ist vielleicht mein Ding
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Ich traf mich in Dir, Du fielst in mich
Bin ich denn alles was Du brauchst
Ich höre unser „Ja ich will!“
Auch wenn Du es zu leise hauchst
Laute Angst schnürt uns die Kehlen zu
Wenn die Liebe uns zusammen zwingt
Und Du bewegst Dich lieber nicht
Ich denk‘ auch dieses bleibt mein Ding
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Noch ist die Rechnung nicht an uns verschickt
Noch lieben wir in Dunkelheit
Doch die ersten Glocken läuten schon
Der Tag der Rache ist nicht weit
Wenn das letzte Blatt gefressen ist
Zerplatzt der Engerling
Ob er sich dann in die Luft erhebt
Auch dieses bleibt mein Ding
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Gestern Nacht ging ich alleine aus
Ich trank kein einziges Bier
Frauen sprangen mir ins Gesicht
Ich verzehrte mich nach Dir
Ich warte seit Tagen, daß Du Dich rührst
Ich befrage das I – Ging
Weil der Berg nicht zum Propheten kommt
Auch dieses ist mein Ding
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In Deinem Badezimmer schwimmt eine Flaschenpost
Gib sie weiter, wenn Du kannst
Morgen schau ich Dir lachend zu
Wenn Du aus meinem Leben tanzt
Dreh Dich nicht um, wenn ich den Tränenwust
Aus meinem Auge wring‘
Der Rest wird keinem Mensch erzählt
Auch dieses ist mein Ding
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Ihr Buben und ihr Mädels
Ihr spielt das Spiel nicht schlecht
Ich sehe uns beim Lügen zu
Mein Herz behackt ein Specht
Du warst niemals mein Eigentum
Auch wenn ich meine Ketten schwing
Einer von uns muß den Abflug machen
Auch dieses wird mein Ding
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Selbst wenn wir uns nie wieder seh’n
Mein Herz erinner‘ Dich
Wie dies Lied Dich einst gestreichelt hat
Dir in Deine Seele schlich
Ich halt‘ mich an der Gitarre fest
Wenn ich noch leise für Dich sing
Niemand anders als Du kennt diese Melodie
Denn dieses war nur mein Ding
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(Zwischen Neuss und Köln im Herbst 1996 nachgedichtet)
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PS: Alles sehr irritierend in Sachen Dylan zur Zeit. Bis das geklärt ist – was es vielleicht nie sein wird – schweigt diese Rubrik.
Eigentlich geht mir das ganze Sternchengezappel am Sitzfleisch vorbei. Seit frühesten Lesezeiten war mir die erlernte Sprache Freund, Helfer, Brötchenbeschaffer und verläßlicher Lebensbegleiter. Und ist es immer noch. Selbst die erste sogenannte Rechtschreibreform ignoriere ich seit nun bald 25 Jahren konsequent. Nun las ich auf den Blog eines befreundeten Journalisten im Ruhestand, daß er auf der Instagramseite (Heißt das so?) des ZDF folgende Perle entdeckt hat. Unter dem Photo eines Taliban stand folgender Satz. „DieIslamist*innen ziehen in immer mehr afghanische Städte ein.“ Weil es so unfassbar schön ist, gleich nochmal in Cinemascope.
„DIE ISLAMIST*INNEN
ZIEHEN IN IMMER MEHR
AFGHANISCHE STÄDTE
EIN.“
Und ich sehe weinenden Auges der / die / das eine Karriere anstrebende Assistentchen über sein Tablettchen gebeugt im vorauseilenden Gehorsam über das Bildschirmchen wischen. Hatten wir nicht gemeint den Kadavergehorsam überwunden zu haben? Wohlstandslemminge.(Ha! Wieder dreimal um die Ecke einen Lieblingssong gepostet!) Am schlimmsten ist es aber, wenn althergebrachte Gedankenlosigkeit als die neue Feinfühligkeit verkauft wird. Der Bauchnabel als Wohlfühlzone der Reichen.
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PS: Inzwischen kriege ich schon ab und an private Mails, in denen Kollegen und alte Freunde mir Sternchen schicken. Weia!
PS: Seltsamer Wahlkampf. Ob aber obiger Song, den Rio Reiser 1976 für unseren Eisernen Helmut im Kampf gegen die Walz‘ aus der Pfalz einst auftragsgemäß (warum nur?) geschrieben hatte, Armin Baerbock, Olaf Laschet, Annalena Scholz, Markus Habeck oder gar Robert Söder über die Ziellinie tragen könnte? Mer waas et net, mer munkelt nur … Ei Gude wie!
Heute Nacht glotzte ich in die Glotze. Konsterniert. Stundenlang. Zwanzig Jahre lang dachte ich immer am Hindukusch wird eben nicht unser aller Freiheit verteidigt, sondern dort wird sie auf dem Altar unser aller Selbstgerechtigkeit und wegen des Rachebedürfnisses unserer transatlantischen Väter und Befreier geopfert. Verzweifelte Menschen hängen an den Rädern eines Düsenjets und fallen wie Spatzenkot auf die Landebahn. Es ist Wahlkampf. Oder doch nicht? Irgendwann schlafe ich ein.
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Dann muß ich erwachen. Ist auch besser so. Helter Skelter. Sollte Bob Dylan gar ein Kinderficker sein? Brauchen wir wieder Mauern? Beton meterhoch? Ich sehe täglich zu wie die Mauern in den Köpfen gebaut werden so hoch wie nie seit September 1939. Auf allen Seiten. Bei allen Beteiligten. Die Handflächen der Selbstgerechten sind verhornhautet vom täglichen Rubbeln. Fassungslosigkeit wird zu einer Art Metronom meines Alltags. Tic Tac Toe. Leider äußert man sich dieser Tage gerne komplett humorfrei und ironielos. Verächtlichkeit ist der gesellschaftlich allseits akzeptierte Sound. Lechts wie rinks. Mein Gott, wie müde und seiner selbst überdrüssig ist dieses Land. Als sehnte man die nächste Flut herbei, um sich wieder zu spüren als ein tätiges und lebendiges Wesen. Das Aufräumen haben wir ja gelernt. Nach den großen Niederlagen. Die sind nun leider wieder Alltag.
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Manche hatten mal gehofft Ost und West könnten sich gegenseitig befruchten. Hüben wie drüben. Fragen wir den ewigen Geheimrat.
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Keinen Reimer wird man finden,
Der sich nicht den besten hielte,
Keinen Fiedler, der nicht lieber
Eigne Melodien spielte.
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Und ich konnte sie nicht tadeln;
Wenn wir andern Ehre geben,
Müssen wir uns selbst entadeln;
Lebt man denn, wenn andre leben?
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Und so fand ich’s denn auch juste
In gewissen Antichambern,
Wo man nicht zu sondern wußte
Mäusedreck von Koriandern.
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Das Gewesne wollte hassen
Solche rüstige neue Besen,
Diese dann nicht gelten lassen,
Was sonst Besen war gewesen.
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Und wo sich die Völker trennen
Gegenseitig im Verachten,
Keins von beiden wird bekennen,
Daß sie nach demselben trachten.
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Und das grobe Selbstempfinden
Haben Leute hart gescholten,
Die am wenigsten verwinden,
Wenn die andern was gegolten.
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(aus dem „Buch des Unmuts“ im „West – östlichen Divan“)
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PS: Für obiges Bildchen des Goethehäuschen zu Weimar gilt es der liebsten Gattin zu danken. Wann war das nochmal? Glaube 2008 oder so.
Fußball war mal eine ganz einfache Geschichte. Der Junge saß mit Vater und Bruder auf dem Sofa und schaute in den zur WM 1966 angeschafften Fernsehapparat. Schwarz – weiß, schnörkellos wie die Trikots der Nationalmannschaft. Das war möglich weil die Spiele, sogar die Endspiele, meist zwischen 14 und 16 Uhr angepfiffen wurden und so der Junge ordentlich spätestens um 20h, plus rausgeschundenen 30 Minuten Lesezeit, in der Heia liegen konnte. Aus dem Lautsprecher knarzte gelassen die Stimme von Ernst Huberty oder Heribert Faßbender oder dem großen Rudi Michel. Wie ein Sufi – Tänzer auf dem Weg zur Versenkung wiederholten die Kommentatoren die Namen der auf dem grauen Rasen umherlaufenden Spieler. Kein selbstverliebtes Abfeiern vermeintlicher Emotion, keine in der Mittelstufe stehen gebliebene billige Ironie, kein Ablesen von Datenbanken, kein Hurz der vermeintlichen Experten. Der Betrachter durfte selber hinschauen. Der Vater war ein Anhänger – der Fan war Gott sei Dank noch nicht erfunden – der Bayern aus München. Da mußte der Junge dagegenhalten und entschied sich nach dem legendären 2:1 gegen Liverpool für Stan Libuda und also die Schwarz – Gelben aus Dortmund. Gelegentlich bemerkte dann der Vater: „Na ja, kein Schlechter der Libuda, aber dem kleinen dicken Müller kann er nicht das Wasser reichen!“ „Und was ist mit Emma? Und Sigi Held!“ „Hab ich eben doch schon gesagt!“ Und natürlich, was den Jungen ärgern mußte, hatte der Alte recht. Und vor allem deswegen saß man entspannt auf dem Sofa, weil alle wußten, selbst in der 85. Minute – die Nachspielzeitorgien von heute gab es damals noch nicht – mag es noch so eng sein, noch so anstrengend, der Gerd Müller schießt noch sein Tor. Oder besser noch: DAS TOR!! Und so geschah es dann auch. Fast immer.
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Das Finale von München unter der Leitung eines anderen Hochgeschätzten, dem Mann mit der Mütze, sah der Junge alleine. Heimlich rauchend. Der Vater war inzwischen tot. Gerd Müller sollte sein letztes Tor schießen für das damals vom angehenden Abiturienten überhaupt nicht geschätzte Vaterland. Doch hat er sich trotzdem gefreut wie Bolle. Dies gelang dem nun Erwachsenen weder 1990 (gar nicht gesehen!), geschweige denn 2014 (Sorry Baden!). Also frei nach Kinky Friedman: They ain’t making Müllers like Gerd anymore. Und keiner jubelte nach Toren wie er. Ehrliche Freude!
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PS vom 20.08.2021: Las in den letzten 24 Stunden am Stück das wunderbare Buch von Hans Woller„Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam“. Es ist nicht nur die Erzählung vom genialen, schweigsamen und freundlichen Landei, dessen Tore Weltkulturerbe wurden, sondern verhandelt auch die tragischen Verstrickungen eines sturen, nachtragenden, eifersüchtigen und traurigen Saufkopps. Die Rollen, die der Kaiser Franzl und vor allem der Lifestyle – Maoist Breitner einnahmen injenen – auch von mir gelegentlich – glorifizierten Tagen: Uff! Und nicht zu vergessen die Ambivalenzen des GroßenUli H. Vor allen Dingen, wenn man noch deren in der letzten Woche in Dauerschleife gesendeten Anekdötchen über Müller im Ohr hat. Mögen mehr Historiker vom Pöhlen schreiben und nicht nur die Auftragsschreiber und zu Autismus neigende Fans.