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Gestern schrieb mir ein geneigter und auch zugeneigter Leser meiner Verlautbarungen hier eine Mail. (Danke für das lapidare: „Tja!“) Er schrieb von den rückkehrenden Kranichen dieser Tage – ich hatte sie vorgestern auch über mir – und wie er beobachtete, daß sogar Störche sich ein Nest suchen. Dann schreibt er: „Ankunft nach langer Reise, ein schöner stiller Moment. Allerdings auch gedacht: zu früh?“
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Zu früh? Ja. Ist so eine Sache mit den Entscheidungen. Es wird gefordert allenthalben – oft ist man selber Mitglied in diesem gelegentlich schrillen Chor – die schnelle und endgültige und vor allem wirkmächtige Entscheidung. „Du weißt auch nicht, was Du willst!“ Ach Ungeduld! Dinge auszuhalten, ihnen keine Gewalt anzutun – meist sind die „Dinge“ ja Menschen – nicht einfach, manchmal jedoch vonnöten bis dringend geboten.
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Gestern noch gelesen: man möge nicht immer die selben Alleen runterlatschen, will man sich einer vertrackten Situation nähern. Aber auch: beim Blick in die Sterne möge man aufpassen, daß dir der Kopf im Nacken nicht von den Schultern rollt.
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Dulce est periculum (Rendsburg revisited)
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Süß ist die Gefahr
Dulce est periculum
Auf nüchternen Magen kalten Wein
Ich trete meine Ängste stumm
Schmerz verspricht Inspiration
Der Suff erlöst vom Leiden
Der Tod macht Sonderangebote
Der Wind schüttelt die Weiden
Ein Strick geknüpft baumelt hinab
Gesundheit wie vulgär
Der Tunnel ist mein Tanzlokal
Ich fühl‘ mich leicht wenn schwer
Ein Bummelzug die Sonne sank
Wir träumten aus dem Fenster
In dieser Stunde neben ihr
Da schwiegen die Gespenster
In Riesenbögen führt die Brücke
Um unser Glück herum
Ich ritz‘ den Tag in meine Haut
Wir waren so schön stumm
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(Im IC nach Karlsruhe / 24.1.22)
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Kleines PS und Einschub: Saß heute – am 17.2. – in der Notaufnahme des Evangelischen Krankenhaus in Gießen, da ich morgen nochmals unters Messer muß. Während ich vor mich hin wartete, lief im Fernsehapparat vor Ort eine Doku über oben bedichtete Brücke in Rendsburg. Nee, oder? Jetzt ist aber mal gut mit diesen ständigen Querverweisen, bester Freund Kismet! GELLE!
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Ein Winter
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Der See hat sich zurückgezogen
Ohne Hast breiter der Strand
Eine fahle Sonne schwach
Legt sich an mit dem Hochnebel
Das Glitzern der Wasseroberfläche
Mache daraus kein Versprechen
Keine Wette auf eine Zukunft
Bleibe hier und lausche
Vergangenheit zu Deinen Füßen
Milde nichts einfordernd
Kindheit
Adoleszenz
Euphorie
Stillstand
Ausbruch
Aufbruch
Alter
Grab
Du bist nichts Besonderes
Raunzt eine Möwe
Die Ente putzt sich ihr bescheidenes Gefieder
Morgen schon könnte es schneien
Ein Fischerboot schnurrt vorbei
Plötzlicher Wind
Wirft Wellen ans Ufer
Wieviel Meilen noch zu gehen
Die Füße übernehmen das
Kommando Schweig
Wo gehen wir hin
Ich weiß nicht aber
Wir müssen los
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(Konschtanz am Hörnle / 26.1.22)
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Sturmwarnung
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Kältegrün
Frostweiße Schaumkronen
In den bleigrauen Dunst geworfen
Aufgepeitscht vom
Wind des Nordens
Schlüpft der See in die
Larve „die See“
Ho Narro
Narri Narro
Tanze Boot Tanze
Der Katamaran jedoch fährt
Seine Flügel aus
Leicht schwankend nur
Hält er den Kurs
Vom Nebelufer her blinken
Die Warnlichter
Der Sturm der Sturm
Er kommt hab acht
Ach
Ich habe ihn hinter mir
Den großen Sturm
Kältegrüne Augen
Frostweißer Abschied
Lodernde Furcht
Schmiede das Eisen
Heinrich komm und schmiede
Solange noch Tag
Und der Blasebalg bläst
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(Katamaran FN – KN / 1.2.22)
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