„Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen Gefühle (die hat man früh genug), – es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, – an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten, und man begriff sie nicht… Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. Man muß sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst sind es noch nicht.“
Ab heute jeden Sonntag ein Blick in den Himmel im Kopf. Stelle mir vor, ich begebe mich in den Winterschlaf wie ein Bär. Erwache erst, wenn der ganze Mist vorüber. Träume mich durch alte Lieder. Ab und an hebe ich ein Augenlid, blicke in den Himmel und schaue nach, ob es sich lohnt, mich wieder zu bewegen. Jeden Sonntag. Ab heute.
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ich hatte gestern
heute nacht schon wieder
wieder hatte ich heute nacht
geträumt
ja
ja gewiß aber
es ist kalt in mir
geworden ist es
kalt
und ich dachte obwohl das nicht geht
denke denke mal warum im traum doch
denken geht nicht wenn man schläft
wenn man schläft ist es anders
blitze lichter pfeile
gewitter im hirn dem ruhesuchenden gehirn und die muskeln
Gestern im Wald zwischen Erlental und Krofdorf, besuchte mich dieser alte Reim. Konschtanz, erste Hälfte der Siebziger. Cafe Bohe. Ein Schlauch von Raum, hinten links eine kleine Eckbank, runder Tisch, Platz für vier, unter mildem Protest der Chefin zusammengerückt, sechs Oberstüfler. Der offizielle Schwänzerstammtisch. Oben im Eck‘ der röhrende Hirsch als kleine Skulptur, drunter der zitierte Sinnspruch.
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Nein, das ist nicht die Feuerzangenbowle. Dennoch, unser Schwänzen wurde von oberster Stelle subventioniert. B. z.B., der Hohepriester der Mathematik blickten in die ab der Untersecunda, spätestens Obersecunda, komplett sinnentleerten Augen der letzten Bankreihen. „Jetzt hauen Sie schon ab, ist ja nicht mit anzusehen. Stören Sie nicht die, die zuhören wollen. Aber sorgen Sie dafür, daß ich Ihnen eine Fünf geben kann. “ Einträge ins Klassenbuch wurde gerne mit Bleistift getätigt. Am Ende der Woche – kleines Ritual – griff L., Latein – und Klassenlehrer seit der Quarta, nach dem Dokument, sichtete die Vermerke seiner Kollegen: „Alles muß der Direktor ja nicht wissen!“ und griff ab und an zum Radiergummi. Ich mochte ihn sehr. Eine massige Gestalt mit massigem Schädel, nur umflort von einem Haarkranz. Auf der blitzenden Glatze eine größere Wölbung. Wir nannten sie die „Vokabelbeule“. Dort lagerte sein riesiger lateinischer Wortschatz.
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F. und ich waren in Mathe der 6 etwas näher als der 5. Also beschlossen wir, grandiose Idee, uns gegenseitig Nachhilfe zu geben. Immer bei F., als Sohn des hiesigen Staatsanwaltes verfügte er über ein komfortables Studienzimmer, Kuchen der sorgenden Frau Mama inklusive. Nachdem der verzehrt, warfen wir meist ein I – Ging. Egal wie die Münzen fielen, sie rieten stets zur Bewußtseinserweiterung und einem anschließenden Tischtennismatch. Das zog sich hin. Dann mußte ich nach Hause. Abendbrot. B. gab uns einen Gnadenfünfer.
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Die Tasse Kaffee kostet im „Bohe“ so um die 90 Pfennige, die Butterbrezel (Ritual) 50 Pfennige. Wenn man es mal krachen lassen wollte oder – dann eher nachmittags – ein Mädel seiner Wahl beeindrucken wollte, gab es auch schon mal ein Stück Schwarzwälder Kirsch für 1 Mark 50. Und ein Viertel Meersburger. Auch 1 Mark 50. Da im Bohe auch ältere Herrschaften ausdauernd saßen und dort unverdrossen ihren Stumpen inhalierten, schmeckte die Schwarzwälder Kirsch nach längerer Standzeit gerne mal ein bisserl rauchig. Das konnte uns aber, die wir daran arbeiteten ernstzunehmende Raucher zu werden, nicht weiter stören.
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Ich glaube, wir hatten Glück. Der letzte Jahrgang vor der sogenannten Oberstufenreform, als Klasse von der Quarta an zusammen geblieben, waren wir. Wir hatten, die Lehrer staunten, vehement gegen diese Neuerung argumentiert, wir die „Linken“. „Wir möchten nicht dümmer als Goethe, dessen Fresko über dem Eingang hängt, dieses Institut verlassen. Allumfassende Bildung für Alle!“ So schrieben wir in unserer Schülerzeitung „das fragezeichen!“, Untertitel: „Hochaufschäumend, Titanen gebärend, stürmt die Kultur dies hohle Gehäuse!“ Copyright dafür bei T. „Monsterpowersponti“ G. Wir beide wurden am selben Tag innerhalb von 5 Minuten geboren und konsequenterweise gute Freunde. Pathos und Hybris. Zwillinge.
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Wenn die Götter, die vielleicht dann doch nur der Eine sind, sich irgendwo heimisch fühlen, dann wohl zwischen den Bäumen. Das sah der alte Willi Bohe, ein Jäger, schon richtig.
Hatte dieser Tage einen kleinen Disput mit meiner lieben Gattin. Brauchst Du noch was? – Ja. Bring mir doch bitte noch so einen Yogi Tee mit. – Welchen? – Wie welchen? Den Yogi Tee halt. – Welchen? – Es gibt nur einen Yogi Tee. Da diesen Gewürztee. – Da gibt es etliche. – Nee, ich meine den Tee, den es seit bald 40 Jahren gibt. Den Tee mit Kardamon und so halt. Und der heißt Yogi Tee. – Nein, das ist die Marke. – Ja, aber den Tee, den gibt es doch noch. Tempo heißt doch auch noch Tempo. – Schon, aber der heißt jetzt Yogi Tee classic. Und von Tempo gibt es auch mehrere Variationen. – Und deshalb könnte ich niemals Cola trinken, das Amigesöff. Geschweige denn bestellen. Bitte eine Coca-Cola classic. Ich würde mir die Zunge brechen. – Reg Dich doch nicht auf über solche Lappalien. Also einen Yogi Tee, der früher mal der Tee war, den Du meinst. Bis gleich. – Lappalie?
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Las am selben Tag über eine Studie israelischer Forscher. Die Masse weltweit von Menschen hergestellter und gebauter Dinge könne einer Schätzung zufolge erstmals die Masse aller Lebewesen der Erde übertreffen. Das vergangene Jahr hätte bei dieser Entwicklung so eine Art Wendepunkt dargestellt. In den letzten hundert Jahren habe sich die Masse von Menschenhand hergestellter Objekte alle 20 Jahre verdoppelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug sie nur etwa 3 Prozent der Biomasse. Das Gleichgewicht zwischen lebender und von Menschen geschaffener Masse hat sich komplett verschoben. Wir erdrücken die Welt mit unserem selbstermächtigten Gewicht. Bald gibt es mehr Joghurtsorten als Vogelarten. It’s all to much.
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Erinnere mich mit Grausen an solche Machwerke wie „Harry und Sally“. Gelangweilte New Yorkerin bestellt Salat in einem Restaurant. Dauert etwa eine halbe Stunde bis sie dem Kellner all ihre Sonderwünsche verklickert hat. Das Kinopublikum schmeißt sich weg. Dann spielt sie ihrem Begleiter einen Orgasmus vor. Das Kinopublikum liegt unter den Sitzen. Der reiche Teil der Menschheit hat den Höhepunkt erreicht. Und überschritten. Von nun an spielt man sich nur noch gegenseitig vor Mitglied der Spezies homo sapiens zu sein. Devolution rules ok.
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Schlußwort oben erwähnter Studie: „Diese Studie zeigt, wie viel größer als unsere eigentliche Schuhgröße unser globaler Fußabdruck ist. Wir hoffen, daß wir als Spezies Verantwortung übernehmen können, wenn wir diese ziemlich schockierenden Zahlen vor Augen haben.“
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Ja, ja machen wir dann schon. Aber erst mal die A 49 zu Ende bauen. Eins nach dem anderen.
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Deutschland hat seit vorgestern eine höhere Corona – Todesrate als die USA. Echt? Sorry, ich muß jetzt aufhören. Hat geklingelt. Mein Friseur kommt zu mir nach Hause. Und meine Gattin läßt sich im Nebenzimmer die Nägel machen. Weil, auf der Piste will man ja ordentlich aussehen. Man gönnt sich ja sonst nix. Ski heil.
Ich lasse mich nicht von Einem entlassen, der nur wegen mir Einer ischt
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Kleb Kleb nicht mehr Streb
Heb Heb nicht den Arsch
Fett Fett weiter Marsch
Recht Recht immer sein
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Smile Smile ich bin geil
Grins Grins in die Lins’
Oben Oben weil ich bin’s
Ruder Ruder ohne Ruh’
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Kratz Kratz Spiegeleier
Nix Nix koi Idee
Weia Weia Schwarzer Schnee
Feig Teig Helmut Kohl
For Ever
Never gang I
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Heilandzack aber au
Jetzt pack halt emol!
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(Für den Jogi am Laternenpfahl auf der Krim / Sommer 2018)
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Tja, früher hatte man sich noch wenigstens diese Frage gestellt. Isch halt au vorbei, it bloß bei de Amis!
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PS: Obiger Pattex war Teil meines Bühnenbilds für eine Inszenierung vom (sic!) „Männerhort“ am Freiburger Wallgrabentheater. Do hemmer scho e paar Fläschle Tannezäple kepfe misse, das mr dem sei Heiligeschein zsemme kriegt henn. Ha jo!
PS2: Gia fotografia parakato, efcharisto sto o gynaika / Kardamili / Lounios 2018
Ich kann es nicht mehr hören oder lesen. „Angriff auf das Herz der Demokratie!“ „Unsere Werte mit Füßen getreten!“ „Diese chaotischen Szenen stehen nicht für das wahre Amerika!“
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This is not America? Come on! Indian Reservation? Ethnic Genocid? Slavery? Ku Klux Clan? Hiroshima? Nagasaki? Mc Carthy? Agent Orange? My Lai? Martin Luther King? Rubin Carter? Death Penalty? 4 dead in Ohio? Watergate? Waterboarding? Abu Ghreb? 5000 bombs a year on Afghanistan since 2009? United Fruit Company? Amazon? Facebook? Any taxes paid? 74 millions voting for a fascist psycho? Are you real? Forgive me if i forgotten something! Oh yeah, i’ve forgotten George Floyd. Gimme an F. Gimme an U. Gimme an C. Gimme an K: What’s that spell?
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Megan Rapinoe, Fußballspielerin und mutig (By the way: wie wär es mal Mut in solchen Fragen zu zeigen, lieber Thomas Müller, statt angepisst als schlechter Verlierer eine Reporterin blöd anzumachen? Trainingslager Katar zB?), wird heute so zitiert: „Das ist Amerika. Machen Sie sich nichts vor. Ich denke, wir haben sehr wohl unser wahres Gesicht gezeigt. Es ist nicht das erste Mal, daß wir einen solchen mörderischen Mob sehen. Die Entfesselung eines Mobs der weißen Vorherrschaft ist nichts Neues für Amerika, wie People of Colour sehr gut wissen.“ (Quelle / Sportteil FAZ)
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Und noch ekliger die plötzlichen Absatzbewegungen (hihi, Herr Freud: Absetzbewegungen wollte ich eigentlich tippen!) ehemaliger Geschäftlesfreunde des Golfbescheisserles. Dieser klebrige Gratismut. Erinnert mich – danke dafür SZ und für’s Verwursten – an manch „couragierte“ Ensembleversammlung in meinem Berufsleben. Das Rückgrat einer Meise. Hatte ich ja unlängst.
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„Wie soll man all diese Entscheidungen nennen? Späte Einsicht, aber immerhin? Gar mutig, weil irgendwie doch auch radikal? Da fällt einem ein Begriff ein, den der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger vor 60 Jahren in einem Essay kreierte: Gratismut. Er umschrieb damit auf höchst elegante Weise die Wesensart bestimmter Menschen, sich besonders couragiert zu geben, in Momenten, in denen ihnen sehr gewahr ist, dass ihnen daraus keine Nachteile entstehen. Mut-Simulanten könnte man sie auch nennen. In noch erträglichem Maß lässt sich diese Eigenschaft manchmal bei Künstlerinnen und Künstlern beobachten, die öffentlich Missstände kritisieren und dabei eine Haltung einnehmen, die sowieso schon deckungsgleich mit denen ihrer Fans ist. Geißeln ohne Gefahr, mit dem schönen Nebeneffekt eines warmen, aber vielleicht etwas schalen Applauses.“