Nachricht aus dem Nachlösewagen 03

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Ich schlief. Ich erwachte. Schlief weiter. Wieder ein und aus. Wachte auf. Erneut. Schlaf in Scheiben. Durch die Nacht bröseln wie trockene Scheiben Toastbrot. Eine der Wolldecken, auf die mich der Telegrammbote hingewiesen hatte, umwickelte mich. Rauh, kratzig. Jahrzehntelang eingesogener Schweiß. Pferde. Wahnideen. Schweine. Pubertät. Wut. Männer, weiß und anders in der Wolle gefärbt. Manche Duftnote nicht erratbar. GROßBUCHSTABEN, schwarz auf brauner Decke: Bundeswehr. Eigentum. Aber mir ging es nicht schlecht. In jener Nacht. Draußen, über dem Schienenbus, kein Vollmond, auch wenn mir ein Dramaturg dazu geraten hätte.

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Ich weiß gar nicht, ob ich besagtes Telegramm gelesen. Oder nur davon träumte. Ich fuhr vor Tagen mit der Rentnerkarte an einen ewig lang gestauten See. Dort fahren sie hin, viele Rentner. Hat man mir erzählt. Eine der Haltepunkte auf dem Weg dorthin: Ernsthausen. Es lag grauer, tauender Matschschnee auf den Wiesen. Keine Raben. Keine Krähen. Leblos, die Felder. Grautonvariationen. Die folgende Bahnstation nannte sich Münchhausen. Ich polierte meine Kanonenkugel und zog mich am Schopf meiner Träume in die nächste Schlafscheibe. Unter mir das Tack-Tack-Tack alter vernieteter Schienen.

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„Hallo! Hallo! Aufwachen! Das hier ist ein Zug, keine Notunterkunft!“

„Entschuldigung! Ja! Gleich! Gleich!“

„Nicht gleich! Sofort! Hopp! Hopp! Hallo?“

„Ja. Ich tue ja, was ich kann!“

„Verzeihung! Ich lache!“

„Iss ja gut! Ich richte mich auf und frage: Wer sind Sie?“

„Sie hatten unlängst ein Peh unterschlagen! Ich schenke Ihnen dafür ein zusätzliches Te!“

„Gut! Ja! Wie?“

„Sie befinden sich in einem Dienst-Traum!“

„Wenn Sie sich bitte vorstellen könnten?“

„HC Träumerle. Ich war mal Lokführer.“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 02

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Ich sitze. Ich sitze im Schienenbus. Ich sitze in einer Kälte, die sich in meinen Rücken frisst. Es gibt im Schienenbus alle paar Reihen Bänke mit umklappbarer Rückenlehne. In Fahrtrichtung. Gegen Fahrtrichtung. In Fahrtrichtung zurück. Gegen die Fahrtrichtung nach vorne. Denke an, während es draußen düsterer wird und Schneegriesel gegen die beschlagenden Scheiben des Triebwagens leise anklopfen, Stillstand und Angebot. Klappe die Lehne von vorne, von links nach rechts, nach hinten. Stehenbleiben in der Mitte kann sie nicht. Kippunkte. Ich unterschlage das dritte kleine Peh. Krähen hoppeln über ein Feld in der Nähe. Suchen zwischen kümmerlichen Schneeflecken und angefrosteten Pfützen nach dem Rest der Ernten der letzten Jahre. Wäre mir wärmer, wenn ich mir auf dem Bahnsteig die Füße vertrete? Sollte ich in Zukunft meine kleinen Reisen, Verreisungen besser mit einem Flachmann in der Tasche antreten? Und wo ist die Schaffnerin?

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Von draußen her vermeine ich das Geräder eines Rollkoffers zu vernehmen. Mitreisende? Es klopft laut und vernehmlich an eine Scheibe im vorderen Teil des Zuges. Kann Schneegriesel dermaßen aggressiv sein? Ich muß also entgegen des Rats meiner eingefrosteten Oberschenkel aufstehen. Gehe durch die Triebwägen nach vorne. Alte Kiesel, von ehemaligen Reisenden auf dem Boden hinterlassen, knirschen unter meinen Sohlen. Wo aber ist bei einem Schienenbus hinten? Wo vorne? Ich komme an. Vorne oder hinten. Da isser. Der Fensterklopfer. Ein Postbote steht auf dem Bahnsteig. Mit seinem gelben Dienstrollkofferwagen. Grauhaarig. Hager gebeugt. Augenberingt fröstelnd unter seiner beschlagenen Brille. Wahrscheinlich hat er das Pensionsalter schon lange erreicht. Er wohnt gewiß noch bei seiner Mutter. Auch wenn sie schon lange verstorben. Ist froh, wenn er draußen sein darf und seine Kundschaft redet ab und zu mit ihm. Noch. Er spricht mich mit meinem Namen an. Er wedelt mit einem vergilbten Papier durch die feuchtkalte Luft.

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„Hallo Herr Holz! Ich habe hier ein Telegramm für Sie!“

„Woher kennen Sie mich?“

„Wir kennen unsere Pappenheimer!“

„Ich dachte das Telegramm hätte ihre Zustellungsorganisation schon vor Ewigkeiten abgeschafft?“

„Denken ist nicht Wissen, sehr geehrter Herr Holz. Herr Johann Heinrich Holz? Oder doch nicht?“

„Nein, nein! Ich bin es. Geben Sie mir das Schriftstück!“

„Können Sie sich ausweisen?“

„Aber Sie sagten doch, Sie kennten mich, Herr …?“

„Namen sind Schall und Rauch! Schönen Abend noch!“

„Sie können doch jetzt nicht einfach gehen!“

„Wir müssen! Wir sind immer im Dienst! Immer und überall! Unser Lebensraum ist der Dienst! Und: in der Blechkiste neben der Nachlösetheke befinden sich alte Wolldecken. Schlafen Sie gut! Bis morgen!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 01

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Ich renne. Es ist glatt. Gestern hatte es noch geregnet. Warmer Südwestwind zerrte an meinem Schal. Über Nacht drehte der Wind auf Nordost. Andeutungen eines Sturmes und die Bürgersteige wurden glatt. Über Nacht. Ich hatte mir zum Jahresbeginn eine Rentnerkarte gekauft. Im Abo. Etwas über € 30.- werden mir nun monatlich abgebucht. Dafür kann ich jeden Tag ab 9h Busse in Stadt und über Land, Züge, solange sie nicht zu schnell sind, in dem Bundesland, in dem ich wohne, benutzen. Fahren. Fahren. Wohin aber? Ich habe mir eine Landkarte gekauft und mit spitzem Finger auf zukünftige Ziele gezeigt. Als Bube hatte ich den Diercke-Weltatlas so gut wie auswendig gelernt. Im Fingerreisen war ich damals schon ein Marco Polo unter meinen Freunden. Heute will ich los. Es ist glatt. Ich renne, aber sehr vorsichtig. Eigentlich setzte ich nur einen Tippelschritt vor den anderen. Zu mehr reicht die Kraft nicht. Der Alkohol der letzten Tage lässt die Oberschenkelmuskulatur sich zusammenziehen. Unter meinem linken Arm eingeklemmt die Mutter aller Porzellankisten. Ich bin ein geborener Deutscher. Nun ja.

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Der Zug steht regungslos am Bahnsteig. Niemand da. Vor dem Zug. Auf dem Bahnsteig. In den Triebwägen. Die Motoren aber laufen, tuckern, es riecht nach verbranntem Diesel. Auch wenn ich mir das lediglich einbilde. Da, am Ende des Schienenbusses ist er, der Nachlösewagen. Kurz freue ich mich wie ein Kind über die Worte „Schienenbus“ und „Nachlösewagen“. Dann steige ich ein. Zwei, drei steile, rutschige Stufen, eisenbegittert, nach oben. Meine Oberschenkel brüllen mich an. Ich bin drinnen. Ist es im Waggon sogar etwas kälter als draußen? Ich ziehe meinen Schal enger um den Hals. Es windet wenigstens nicht hier im Inneren des Zuges. Ich denke an Jonas, den Wal. Ich schaue mich um.

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„Hallo? Ist da jemand? Ich würde gerne eine Fahrkarte nachlösen. Hallo?“

Die Maschine wird lauter. Es klingt, als gäbe der Lokführer fest entschlossen Gas. Ich friere. Ich friere auch nach einer halben Stunde noch. Nichts ist geschehen, aber laufende Motoren unter meinen frostigen Füßen.

„Guten Tag? Wo wollen Sie denn hin?“

Ich drehe mich um. Eine sehr kräftige Schaffnerin, Damenbart, grüne Strähnen im Haar, die unter der Dienstmütze hervorlugen, steht hinter mir. Sie raucht einen Zigarillo.

„Ich weiß noch nicht so recht. Wo fahren Sie denn hin?“

„Tja. Wenn ich das wüßte. Der Lokführer hat sich noch nicht entschieden.“

„Warum?“

„Weil er noch gar nicht da ist!“

„Aber entscheiden nicht die Schienen über das Ziel, welches wir ansteuern werden?“

„Glauben Sie auch noch an das Christkind?“

„Aber Sie verkaufen doch Fahrkarten? Prinzipiell? Hier im Nachlösewagen?“

„Gewiß. Wenn wir denn fahren werden.“

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„Allein machen sie Dich ein!“ (TSS)

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Der- oder diejenige wäre heute so und so alt geworden. Einlassungen dieser Art wollte ich hier eigentlich ab sofort vermeiden. Beginne ich also die mir selbst verordnete Regeländerung mit einer Ausnahme. Einer noch. Einer.

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Wer fünfzig Minuten Zeit hat sich im Netz zu versenken – mit lieben Grüßen an die Rentner und anderweitig Gelangweilten, die hier ab und zu reinschauen – diese Dokumentation ist sehr empfehlenswert. Best of quasi.

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Das neue Jahr begann so, daß ich kurz meinte mich davor fürchten zu müssen. Es steht an eine 50Jahresfeier in Sachen Hochschulreife unten am Bodensee. Im Vorfeld trudeln Mails eines Klassenkameraden ein. Warum ich AfD wählen müsse und wenn nicht, solle ich ihm das erklären. Weia! Das ist wohl erst der Anfang. Raus aus dem Netz? Klassen? Treffen? Meinte dies Rio Reiser, als er davon sprach, sich nicht zensieren zu können? Eher nicht?

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Noch ein letztes Zitat – auch die werden hier ab morgen rausfliegen – weil es so schön passt zu einem schmerzlichen, aber nötigen Abschied am Ende des letzten Jahres. Nicht mehr Robert Zimmermann singen in Gießen. Nee.

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„Bei Rockmusik geht es um Ekstase und Wut und nicht um Timing und Virtuosität!“ (Rio Reiser)

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Demnächst hier Nachrichten aus dem Nachlösewagen. Ein letztes Video.

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„Und dann fängt man eben an, Mist für Gold zu verkaufen, und so einen Unsinn zu reden, wie ich es da geredet habe.“ (Ricarda Lang nachdem sie fortging)

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Konschtanz / Stadtgarten / Weihnachtsmarkt / Freitag Der Dreizehnte Dezember 24 (Foto: A. Haas)

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Wieder mal Zeit für eine Pause hier. Den Restadvent nutzen, um drüber nachzusinnen, what the fucking x-mas-hassle is all about originally. In den rauen Nächten Zwiegespräche halten mit den Gespenstern. Den Anderen gelegentlich. Vor allem jedoch mit den Eigenen. Und in Erwartung des kommenden Jahres den Zeigefinger kürzer schleifen und sich nicht in Bitternis rumwälzen, weil die Welt, die man gerne externalisiert statt ihr beizutreten, nicht nach der eigenen Pfeife tanzt.

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Also ein besinnliches Fest begehen (Oh schöne alte Sprache, in die ich hineinwuchs!), wenn es dann ansteht und weil uns Donald nächstes Jahr Frieden auf Erden machen wird, müssen wir nicht auf den Dritturlaub verzichten, um ein braver Erdenwürger zu bleiben. Die Verschärfung des Klimas fällt aus nach Ansage vom Vorjahr und weniger denken vor all diesen Wahlen, hüte, oh hüte dich vor all den Qualen, gelle, Germania. Ach.

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Rauer die Nächte nicht werden, die Tage vielleicht gelegentlich

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Ab 2025 in neuen Strümpf

Vielleicht auch löchrigen Socken

Neugeboren runderneuert

Wird Erlösung angesteuert

Ampelbefreit sind wir bereit

Zur größeren Wende

Mit vollem Beutel Weltenende

Besingend händeringend

Weiterhin

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Oder nimm am Weltenkummer teil

Mach sie heil biete feil

Auf den Märkten eig’ne Häute

Nicht das Portmonnaie der fremden Leute

Auch Kleingeld klappert

Laut gelegentlich

Zur Not hilft auch ein Gin

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Besinnliche Zeit gewünscht von hier. Bis denne.

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“Es ist alles nur geliehen auf dieser schönen Welt!” (Heinz Schenk)

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Eine Küche in Gießen / Innenstadt / Februar 2023

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„Im blauen Bock, beim Äppelwoi,

Da laß dich ruhig nieder.

Da komm´n nur gute Menschen rein,

Und singen frohe Lieder.

Und warst du erst ein paarmal treu,

Dann sagst auch du beim Gehn.

Im blauen Bock beim Äppelwoi,

Da gibt’s ein Wiedersehn.

Im blauen Bock beim Äppelwoi,

Da gibts ein Wiedersehn.“

Im Jahre 1966 kaufte mein Vater unserem Haushalt den ersten Fernseher. Schwarz-weiß. Eigentlich die einzige Farbkombination, in der man Geschichten ernsthaft erzählen mag. Eine WM stand an. Uns Uwe. Der junge Franz. Emma. Sigi, mein Held. Das dritte Tor. Hans der Tilkowski.

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Ein Fernseher tat es nicht von alleine einst wie heute auf Knopfdruck. Antennen mußten her. Ästhetische Dachverzierer, aufsaugend fremde Wellen und Schwingungen zu Diensten stehend den erwartungsfroh Schauenden. Oft aber lediglich blieb Rauschen und Nebel grieselnd und eine Ahnung nur von der Welt. Mein Vater kletterte auf dem Dach rum, die Antenne zu fixieren, zu richten gen Hamburg, Mainz oder Stuttgart. Die Mutter in berechtigter Panik ob der Sandalen des Dachbesteigers. Der Bube bewundert jedoch, muß aber nach unten und über zwei Stockwerke hoch brüllen, ob da mehr als Rauschen und Nebel grieselnd wäre zu sehen. Oben auf dem Dach wird geflucht. Der Bub zu leise sei. Die Fünffingerrüge später folgte auf den Fuße. Also auf die Backe. Zwei Stockwerke tiefer dann.

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Es war ein warmer Samstag. Juni oder Mai. Und die Kiste sprang sichtbar an. Zwei Sender nur. Wir wählten die Eins. Und da isser. Der Heinz Schenk. Frühkindliche Prägung. Wäre der FC Blauer Bock ein Fußballverein, jetzt noch wäre ich knallharte Kurve. Und Reno Nonsens mein ewiger Hrubesch.

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Das Bühnenbild aka der Hintergrund war eine fürchterliche Halle, ein Gemeindesaal oder ein Bürgerdings. Wo? Hessen. Was ist das? Wo ist das? Hätte mir damals jemand geflüstert, daß ich in diesem Bundesland, welches mir damals schon, ich saß am Ufer des Bodensees, als eine gnadenlose Manifestation obskurer Hässlichkeit? Immer noch ist es mir nicht möglich Äppelwoi zu trinken. Ich kann etliche Dialekte bundesweit nachäffen, aber dem Hessischen verweigern sich Glottisschlag, Stimmlippen und meine Zungenmuskulatur. Marmoush oder Yeboah hin oder her. Warum ich hier bin? Weil ich hier halt lebe. Jawoll Frau Wirtin. Das Loch im Eimer blieb.

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Heinz Schenk ist gebürtiger Mainzer. Dann ließ sich Schenk irgendwann zum Vorzeigehessen ummodeln. Unser David Bowie heißt Heinz Schenk singt es in einem der traurigsten und schrägsten Songs der Republik. Ich lebte wenige Monate in Mainz, welches ich, ohne groß zu klagen und trauernd hoffnungsfroh gegen Kölle eingetauscht hatte, um nach einer emotionalen Höllenfahrt in Hessen zu stranden. Ich mochte Heinz Schenk.

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Nie vergessen: „Herr Schenk, ich habe Sie in der Sportschau gesehen. Olympia in München. Sie sind beim 400m-Rennen mitgelaufen. Warum hatten Sie denn eine rote Krawatte umgebunden?“ „Das war meine Zunge!“ Morgen tät er dann 100 Jahre alt gewesen sein. Frau Wirtin! Ein Bembel!

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“It’s a sad and beautiful world.” (Zack)

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An der Lahn bei Naunheim / Lockdown / Mai 2020

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Im Jahre 1986 fiel im Gefolge von Jim Jarmushs “Down by law” Tom Waits, mit gehöriger Verzögerung, auch in Deutschland in die geneigten Ohren. Zu dieser Zeit pendelte ich zwischen Köln, Düsseldorf, St. Gallen, Münster und Basel jungschauspielernd. Viele Nächte in stets pünktlichen Zügen verdöst. Und egal wo ich ausstieg, in den Wohnungen oder Kneipen, lief die 80er Jahre Trilogie Swordfishtrombones, Rain Dogs und Frank Wild Years in Heavy Rotation. Und überall erzählte man sich die Mär vom trinkenden, einsamen Streuner aus LA. Dabei hatte der 1980 seine Frau Kathleen Brennan kennengelernt und den Whiskey in die Ecke gestellt. The Piano wasn’t drinking anymore.

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In Köln aber feiert bis 1993 Gerd Köster und das Klavier dat immer noch jesoffe hätt, den Barden mit dem kleinen Hut. Der kleine Hut blieb mir irgendwann.

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Die Welt war traurig und wunderschön. Damals. Schon immer. Und blieb sie auch dann fürderhin. Mal so oder eben so.

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 Roberto: It is a sad and beautiful world!

 Zack: Yeah, it’s a sad and beautiful world, pal. Eh, buzz off.

 Roberto: Ah, thank you! Buzz off-a to you, too.

 Zack: Buzz off!

Roberto: Ah, buzz off. Buzz off? Buzz off? It’s – it’s a sad and beautiful world. Buzz off. [writes it  down in a pocket notebook]

Roberto: Buzz – off. Good evening, buzz off to everybody. Oh, thank you. Buzz off to you too. Oh, it’s a pleasure. Thank you.

 Zack: [takes a swig of beer, starts singing] O-we, now, now, it’s a sad and beautiful world, It’s a sad and beautiful world, It’s a sad and beautiful world, It’s a sad and beautiful world …

(Dialog / Down by law / Roberto Benigni / Tom Waits)

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Heute wird er 75 Jahre alt der Mann, den ich in den letzten Jahren etwas aus den Augen und Ohren verloren habe. Bereiten wir ihm zu Ehren einen Hasen zu. An den alten Lagerfeuern. And then we all scream-a for icecream-a.

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Wieder die Monochromatisierung der Welt monochromes Erinnern setzen?

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Blick auf Frankfurt / Dezember 2023

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Seitdem ich hier wohne, wurde mir immer wieder von zu oder neben Gießen Aufgewachsenen, Gestrandteten, Lokalideologen oder Gazettenschreibern Peter Kurzeck ans Herz und in den Bücherschrank gelegt. Ich fremdelte. Nichts gegen ein exzessiv manisches Erinnern einzuwenden, aber aus jedem Stolpern, Holpern, sei es zu Staufenberg, Gießen, Paris oder dem Rest von Frankfurt, aus jedem abbessinischen Herrenschneider, jedem hier oder dort genossenen Käse jeglicher Herkunft, dem Opel Admiral und jedem nicht so fest wie erwartet angenähten Knopf am alten Mantel die Welt erzählen zu wollen? Muß man mögen. War mir nicht vergönnt. ABER:

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Zum letzten Geburtstag hat mir die Gattin das letzte(?), posthum veröffentliche, Buch von Kurzeck geschenkt. Ich hatte vor Jahresfrist Teilchen davon vorgelesen. Ich muß sagen: es war mir eine erkennende Freude. Vielleicht hat es was mit der Zeit zu tun, in der der Roman angesiedelt ist. 1977. Der deutsche Herbst. Ich studierte pro forma in Konschtanz Politik und Geschichte. Gelegentlich hielt der damalige Generalbundesanwalt Rebmann da oben auf dem Berg vor der Stadt Vorlesungen ab. Hubschrauber kreisten über dem Gelände, welches weitläufig abgesperrt wurde und bebrillte Anzugträger mit Beulen in den Jackentaschen fluteten die Hörsääle und manchmal wurde man abgetastet. War man genauso dämlich stolz drauf wie der damals dauertrunkene Autor Kurzeck an den Grenzen zwischen Germania und Frankonia. Im Audimax hatte doch gestern noch Herbert Achternbusch gelesen. Whiskybewaffnet.

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Vielleicht hat es was mit einem Namen zu tun. Sybille. Meine erste Gattin, die mir im Rückblick eine Vermeidbarkeit bleibt ewig. Schlau immer später und immer zu spät. Jedoch: der Schriftsteller erzählt davon Schriftsteller werden zu wollen und trotz allem Gejammer – auf jeder zehnten Seite – über die Abwesenheit von Geld, während er sich Tag und Nacht durch Kneipen hangelte und sich kokett volllaufen lässt: ich mag ihm folgen.

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Viele Freunde und Weggefährten gewährten ihm Unterkunft, Asyl, Schreibtische, Schränke voller Alkoholica und Plattenspieler und Kassettenrecorder. Und dann schreibt er manisch vor sich hin und hört dabei sein Lied. Fremde Kassette. Natürlich hundertmal hintereinander. Emotionaler Sparfuchs. Muß man mögen. Letzte Woche mochte ich es.

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Was ich begriffen habe. Schau ich aus dem Fenster, sehe ich wie der Welt systematisch die Farben entzogen werden. Gießen ist bunt? Lächerlich. Je lauter Vielfalt und bunte Fahnen schwenken beschrieen wird, um so grauer und uniformierter gebärdet sich die Welt. Besuchen Sie morgen einfach einen Weihnachtsmarkt. Vielleicht ist das der Kunstgriff Kurzecks, der der schon vor Jahrzehnten eingetretenen Abschaffung der Lebensfarben eine monochrome Erzählung in Dauerschleife entgegensetzt. Kann man tun.

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Keine Erwartungen. Und untiges Lied erwähnt er auch gerne in diesem Buch. Die ewige Liebe? Blödsinn. Durchhalten. Versus Dauerschleife.

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