Seit einen Monat existiert dieser Blog. Es macht Spaß. Es ist mir als sei der – auch durch zu viel Alkohol – verstopfte Gedankenabfluß wieder freigelegt. Dennoch: was mache ich hier? Mentale Luftgitarre spielen? In einen abgedunkelten Raum Ideen hineinschießen, welche mir um die Ohren fliegen wie Squashbälle? Oder betrachte ich nur die Schatten an der Wand wie John Lennon in seinen regungslosen Jahren im Dakota – Building?
Doch du kannst nicht gewinnen, solange du allein bist!
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Ein Baum kann nicht blühen, wenn keine Sonne scheint.
Und es gibt keinen Fluß, wenn kein Regen fällt.
Und es gibt keine Wahrheit, wenn wir sie nicht suchen.
Und es gibt keine Freiheit, wenn wir sie nicht nehmen.
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PS 1: Letzten Samstag wäre Rio Reiser 71 geworden. Gerade noch dran gedacht. Er fehlt.
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PS 2: Für die beiden Fotos vom „König von Deutschland“ danke ich mit liebem Gruß Udo Herbster, dem genialen Bühnenbildner seinerzeit. Oben Bühnenbildmodell, unten Beleuchtungsprobe. Das waren die guten Tage.
Gestern fuhr ich – 12 km und mit dem Bus, gelle! – ins Umland, ein bisserl Schnee suchen. Ich fand ihn, lief los und der Mann mit dem Pferd begegnete mir. Es lebe die Coincidentia. Weiter lief ich. Auf einer kleinen Hochebene namens Gesprächskopf (sic!) hat ein rühriger Heimatverein Holztafeln mit den ehemaligen Bezeichnungen der Äcker, Wiesen und Parzellen aufgestellt. Ich las vom Gänseacker, dem Kreuzacker, dem Kreuzackerkopf, der Wingertseite, von Schmittsweide und hatte meine Freude an der Sprache der Altvorderen. Schließlich stand ich vor dem ehemaligen „Pferdestück“ und dachte, deformation professionelle, wie hätte ein Theaterstück, welches ich unter diesem Titel zu verfassen hätte, auszusehen. Hätte es zu tun mit dem Zurückblicken, der Sehnsucht, dem ewigen Bedauern, in einem Alter, wo man immer seltener in der Führerkabine des Zuges mit dem Namen „Mein Leben“ steht, sondern meist auf der Aussichtsplattform des letzten Waggons? Man sieht, wehmütig oder zugetan, die Landschaft, die Städte, den Himmel vor seinem trüber oder auch hellsichtiger werdenden Auge entschwinden. Mir fiel ein eine Meldung vom letzten Sommer. Ein alter Mann aus Thüringen irrte mit Blumenkübeln in der Hand über die Autobahn vor den Toren meiner Wohnstadt. Alt? 66 Jahre? Bitte? Ich werde dieses Jahr FÜNFUNDSECHZIG.
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Wenn ich Freunden und Bekannten meiner Altersgruppe gegenüber erwähne, daß wir ja jetzt – Keith Richards hin oder her – wohl alt sind, steht etlichen von ihnen sofort der Angstschweiß des Protestes auf der Stirn. Alt? Wir doch nicht, eine Generation die schon immer den Mitgliedsausweis der Jugendberufsfeuerwehr in der Tasche trug, mit lebenslanger Gültigkeit, meine Damen und Herren!
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Schon beim ersten Lesen der Geschichte des – so nenne ich ihn mal – Blumenspaziergängers dachte ich: Theaterstück. Werde nächste Woche beginnen daran zu arbeiten und hier ab und an kleine Vorschausätze reinstellen. Unten das Haus, wo die Geschichte beginnen könnte. In der Straße des Friedens. Ach ich vergaß, die letzte Tafel vor der ich stehenblieb: der Christenstrauch. Auch schön!
und ihren Schatten werfen: die vielen besitzanzeigenden
Fürwörter. Abschied vom Inventar, dieser Liste
diverser Fundsachen. Abschied
von den ermüdenden Düften,
den Gerüchen, mich wachzuhalten, von der Süße,
der Bitternis, vom Sauren an sich
und von der hitzigen Schärfe des Pfefferkorns.
Abschied vom Ticken und Tacken der Zeit, vom Ärger am Montag,
dem schäbigen Mittwochsgewinn, vom Sonntag
und dessen Tücke, sobald Langeweile Platz nimmt.
Abschied von allen Terminen: was zukünftig
fällig sein soll.
Mir träumte, ich müßte von jeder Idee, ob tot
oder lebend geboren, vom Sinn, der den Sinn
hinterm Sinn sucht,
und von der Dauerläuferin Hoffnung auch
mich verabschieden. Abschied vom Zinseszins
der gespaltenen Wut, vom Erlös gespeicherter Träume,
von allem, was auf Papier steht, erinnert zum Gleichnis,
als Roß und Reiter Denkmal wurden. Abschied
von allen Bildern, die sich der Mensch gemacht hat.
Abschied vom Lied, dem gereimten Jammer, Abschied
von den geflochtenen Stimmen, vom Jubel sechschörig,
dem Eifer der Instrumente,
von Gott und Bach.
Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen vom kahlen Geäst,
von den Wörtern Knospe, Blüte und Frucht,
von den Zeiten des Jahres, die ihre Stimmungen
satthaben und auf Abschied bestehen.
Frühnebel. Spätsommer. Wintermantel. April April rufen,
noch einmal Herbstzeitlose und Märzenbecher sagen,
Dürre Frost Schmelze.
Den Spuren im Schnee davonlaufen. Vielleicht
sind zum Abschied die Kirschen reif. Vielleicht
spielt der Kuckuck verrückt und ruft. Noch einmal
Erbsen aus Schoten grün springen lassen. Oder
die Pusteblume: jetzt erst begreife ich, was sie will.
Ich träumte, ich müßte von Tisch, Tür und Bett
Abschied nehmen und den Tisch, die Tür und das Bett
belasten, weit öffnen, zum Abschied erproben.
Mein letzter Schultag: ich buchstabiere die Namen
der Freunde und sage ihre Telefonnummern auf: Schulden
sind zu begleichen; ich schreibe zum Schluß meinen Feinden
ein Wort: Schwamm drüber – oder:
Es lohnte den Streit nicht.
Auf einmal habe ich Zeit.
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Ich schrieb obigen Text im Frühjahr 2015. In jener Zeit hielt mich die Arbeit am Musentempel schwer auf Trab und mein Hang zum Perfektionismus noch mehr. Seltsam wie das Virusviech den alten Traum zu einer Realität werden ließ. Und, dieser Tage jedenfalls, ich genieße die Zeit, die ich nun habe, so wie sie ist. Halten Sie mich gerne für pervers. Ich laß das mal so stehen. Also den Text oben. Später mal bearbeiten.
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PS: I’d like to thank my beloved wife for the kind permission to use the photograph above, she took in Bath (Somerset) in august 2017.