wassertage eins

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Verehrenswerter Morgen.

Frische Gräser – sanfter Fluß.

Von Sonnenstrahlen durchglänzt!

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Eilendes Wasser.

Die Fische steigen bergauf.

Mein Magen, er knurrt.

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Der siebente Tag.

Schon die Luft dieses Morgens.

Ganz anders schmeckt sie.

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Nahender Sommer.

Milder Wind spielt mit den Halmen.

Wer hatte gerufen?

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Für eine ganze Weile

an den Ufern geborgen.

Es bleiben Ziele.

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(Juni 2010 / zu Ehren des Meister Basho)

bagatelle elf

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Gerädert tief gerändert aufgerissen die

Augen seine Hände mir unter die Nase gehalten

Der ich gegenüber sitze dem Mimen in der

Garderobe und höre versuche zu verstehen versuche

Es zu greifen was nach mir

Greift und krampft und weiß nicht wie den

Druck tu es weg ich sag das Glänzen das Wollen das

Ich will aber gut sein und ich kann es nicht ertragen wenn

Doch du laß das Publikum schauen hören und

Sagen braucht mir keiner was und mein Körper

Nenn es nicht Bagatelle das Beackern und

Abwägen der Worte des Buches

Auftrag Aufgabe Gedanke

Das Anstrengende nichts Versprechende und

Suchen ich kann jetzt noch nicht sagen wie

Sagen braucht mir der Regisseur nur wo das

Licht in dem ich stehen soll sagte mir

Der Mime in der Garderobe wo ich saß ihm gegenüber

Saßen noch meine staunenden Ohren die matten Augen

Müde vom Hinschauen Zuschauen Entscheiden und meine

Haut die Hülle aus der Zeit

Gefallen aber

Ich war schon gegangen

Von außen noch blickte ich auf

Die alte Liebe sie runzelte

Meine Stirn und ich begann sie

Zu siezen

(November 2019)

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Das Pferdestück

Oder

Der Blumenspaziergänger

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Gestern fuhr ich – 12 km und mit dem Bus, gelle! – ins Umland, ein bisserl Schnee suchen. Ich fand ihn, lief los und der Mann mit dem Pferd begegnete mir. Es lebe die Coincidentia. Weiter lief ich. Auf einer kleinen Hochebene namens Gesprächskopf (sic!) hat ein rühriger Heimatverein Holztafeln mit den ehemaligen Bezeichnungen der Äcker, Wiesen und Parzellen aufgestellt. Ich las vom Gänseacker, dem Kreuzacker, dem Kreuzackerkopf, der Wingertseite, von Schmittsweide und hatte meine Freude an der Sprache der Altvorderen. Schließlich stand ich vor dem ehemaligen „Pferdestück“ und dachte, deformation professionelle, wie hätte ein Theaterstück, welches ich unter diesem Titel zu verfassen hätte, auszusehen. Hätte es zu tun mit dem Zurückblicken, der Sehnsucht, dem ewigen Bedauern, in einem Alter, wo man immer seltener in der Führerkabine des Zuges mit dem Namen „Mein Leben“ steht, sondern meist auf der Aussichtsplattform des letzten Waggons? Man sieht, wehmütig oder zugetan, die Landschaft, die Städte, den Himmel vor seinem trüber oder auch hellsichtiger werdenden Auge entschwinden. Mir fiel ein eine Meldung vom letzten Sommer. Ein alter Mann aus Thüringen irrte mit Blumenkübeln in der Hand über die Autobahn vor den Toren meiner Wohnstadt. Alt? 66 Jahre? Bitte? Ich werde dieses Jahr FÜNFUNDSECHZIG.

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Wenn ich Freunden und Bekannten meiner Altersgruppe gegenüber erwähne, daß wir ja jetzt – Keith Richards hin oder her – wohl alt sind, steht etlichen von ihnen sofort der Angstschweiß des Protestes auf der Stirn. Alt? Wir doch nicht, eine Generation die schon immer den Mitgliedsausweis der Jugendberufsfeuerwehr in der Tasche trug, mit lebenslanger Gültigkeit, meine Damen und Herren!

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Schon beim ersten Lesen der Geschichte des – so nenne ich ihn mal – Blumenspaziergängers dachte ich: Theaterstück. Werde nächste Woche beginnen daran zu arbeiten und hier ab und an kleine Vorschausätze reinstellen. Unten das Haus, wo die Geschichte beginnen könnte. In der Straße des Friedens. Ach ich vergaß, die letzte Tafel vor der ich stehenblieb: der Christenstrauch. Auch schön!

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bagatelle zehn

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Wovon sprechen vom ich

Dem einen oder

Umlackiert zu einem Er

Der wer bin ich

Sagt jener dann

Und tun was soll ich

Behaupten kriechen zu

Können in fremde Häute

Fliegen mit fremder Feder

Schreiben

Als sei das eigene Leben

Bagatelle genug

Darüber zu schweigen

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Verlängerung:

Wie selbstbesoffene

Schauspieler taumeln sie entlang

Der Rampe glotzen ins

Publikum erheischend Beifall statt

Zu erzählen die Geschichte des

ungeschriebenen

Stücks dieser Worte

dessen Er vielleicht wäre ich

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Entgiftung

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Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen

von allen Dingen, die mich umstellt haben

und ihren Schatten werfen: die vielen besitzanzeigenden

Fürwörter. Abschied vom Inventar, dieser Liste

diverser Fundsachen. Abschied

von den ermüdenden Düften,

den Gerüchen, mich wachzuhalten, von der Süße,

der Bitternis, vom Sauren an sich

und von der hitzigen Schärfe des Pfefferkorns.

Abschied vom Ticken und Tacken der Zeit, vom Ärger am Montag,

dem schäbigen Mittwochsgewinn, vom Sonntag

und dessen Tücke, sobald Langeweile Platz nimmt.

Abschied von allen Terminen: was zukünftig

fällig sein soll.

Mir träumte, ich müßte von jeder Idee, ob tot

oder lebend geboren, vom Sinn, der den Sinn

hinterm Sinn sucht,

und von der Dauerläuferin Hoffnung auch

mich verabschieden. Abschied vom Zinseszins

der gespaltenen Wut, vom Erlös gespeicherter Träume,

von allem, was auf Papier steht, erinnert zum Gleichnis,

als Roß und Reiter Denkmal wurden. Abschied

von allen Bildern, die sich der Mensch gemacht hat.

Abschied vom Lied, dem gereimten Jammer, Abschied

von den geflochtenen Stimmen, vom Jubel sechschörig,

dem Eifer der Instrumente,

von Gott und Bach.

Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen vom kahlen Geäst,

von den Wörtern Knospe, Blüte und Frucht,

von den Zeiten des Jahres, die ihre Stimmungen

satthaben und auf Abschied bestehen.

Frühnebel. Spätsommer. Wintermantel. April April rufen,

noch einmal Herbstzeitlose und Märzenbecher sagen,

Dürre Frost Schmelze.

Den Spuren im Schnee davonlaufen. Vielleicht

sind zum Abschied die Kirschen reif. Vielleicht

spielt der Kuckuck verrückt und ruft. Noch einmal

Erbsen aus Schoten grün springen lassen. Oder

die Pusteblume: jetzt erst begreife ich, was sie will.

Ich träumte, ich müßte von Tisch, Tür und Bett

Abschied nehmen und den Tisch, die Tür und das Bett

belasten, weit öffnen, zum Abschied erproben.

Mein letzter Schultag: ich buchstabiere die Namen

der Freunde und sage ihre Telefonnummern auf: Schulden

sind zu begleichen; ich schreibe zum Schluß meinen Feinden

ein Wort: Schwamm drüber – oder:

Es lohnte den Streit nicht.

Auf einmal habe ich Zeit.

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Ich schrieb obigen Text im Frühjahr 2015. In jener Zeit hielt mich die Arbeit am Musentempel schwer auf Trab und mein Hang zum Perfektionismus noch mehr. Seltsam wie das Virusviech den alten Traum zu einer Realität werden ließ. Und, dieser Tage jedenfalls, ich genieße die Zeit, die ich nun habe, so wie sie ist. Halten Sie mich gerne für pervers. Ich laß das mal so stehen. Also den Text oben. Später mal bearbeiten.

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PS: I’d like to thank my beloved wife for the kind permission to use the photograph above, she took in Bath (Somerset) in august 2017.

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heimatvariante

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Vom anderen Ufer des Storkower Sees / grüßt das Geläut des dicken Pitter / Von Görsdorf der Blick / hinüber nach Allensbach / Hinter Bad Saarow im Nebeldunst / der Hohentwiel / Vor seinem Schatten ein Kormoran / Von West nach Ost / zieht über Launsbach eine der unzähligen Gewitterfronten / dieses Sommers / Vom Baum hängt das Seil / schwingt im Wind über dem Wasser / Gestern noch schwang und sprang hier / ein Junge / hinab

Ich mag nicht mehr vergleichen / Ich mag dort sein / wo ich war / wo ich sein werde / Der Wind weht mich ins / Nirgends / Überall / Rasche Notizen / Randbemerkungen in Bewegung / Bleibewünsche

Unter der Dorfeiche von Schwerin endet der Tag / Einer Eintagsfliege gleich / unter ihren Jahrhunderten / sitze ich / Ein böiger Nordost fächelt hinüber den Geruch von Pferden / Ein Kleinwagen der Diakonie hält / Ein kurzes grüßendes Nicken / Ein alter Mensch wird zu Bett gebracht vielleicht / Kohlweißlinge tanzen überm Klee / Ein Mädchen streichelt sein Pferd / Wiehern und Lachen / Der Rücken schmerzt nicht mehr / so jung ich unter ihren ausladenden Ästen / Ruhe

(Storkow / Sommer 2014 / überarbeitet)

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Lob der Feigheit oder der tut doch nichts, der will doch nur …

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Nach einer Nacht die ich mit CNN verbrachte, nach einer Nacht, in der ich auch an Deutschland dachte in der Nacht, an Reichstagtreppen und die Szenen unlängst dort im Bundestag. Aber wie immer schon, die Amis drehen halt die härteren Horrorfilme.

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Ich bin klein

Mein Herz ist rein

Die Politik die ist das Schwein

Der Präsident er labert Stuss

Das Chefin auch

Ab und an und wieder mal

Wer tut das nie verzeih

Was soll ich sagen

Ändert rein und rein

Nichts und nichts ich bin so frei

Es knurrt mein Bauch das Fressen erst und die Moral

Die kann mich mal die kann mir mal

Den Buckel rauf und runter jodeln

Ich muß jetzt erst mal rodeln

Und meine Rechnung Du bezahl

Ich nehm‘ die alte Autobahn

Der Bauherr hatte noch `nen Plan

Ja iss doch wahr muß man doch wagen

Hier endlich mal die Wahrheit sagen

Und außerdem muß man nicht tragen

Jedes Wort auf gold’ne Waagen

Aber klagen, aber klagen muß ich

Allein die ganzen Pigmentierten

Die unlängst unsre Gaue stürmten

Wie was der Schoß sei fruchtbar noch

Aus der mein Gejammer kroch

Wie was der Schoß war nie geschlossen

Es krochen rein die Altgenossen

Vier Tote das dürfen Sie mir glauben

Werden mir den Schlaf nicht

Wie was Verantwortung

Du hast doch einen am Karton

Denn

Ich bin klein

Mein Herz ist rein

Die Politik die ist das Schwein

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Und als ich auf dem Bildschirm heute in der Früh die etwas verspätete Breaking News vom 3. November 2020 las – Ach nee, Biden ist der gewählte Präsident! –  nochmal die Bilder der Nacht sah und mir vorstellte, wie das ausgesehen hätte, wenn das Schwarze gewesen wären, die das Capitol geentert haben. Wer zählte die Leichen? Später dann, die Ausgangssperre längst verhängt, hüpft die „erste Rasse des Herrn“ provokant vor der Nationalgarde rum. Tja, sie sind eben nicht ein George Floyd und dürfen weiter atmen. Und dann hörte ich den guten alten FZ singen: Hey, you know something people? I’m not black but there’s a whole lots a times I wish I could say I’m not white!

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Auguste R. sprach zu Camille C.

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sie verwaltete die liebe wie ihren kleiderschrank

jedes modell mehrfach erstanden

nach farben und schattierungen

fein säuberlich gestapelt

warm und wartend

bereit gelegentlich von ihr ausgeführt zu werden

oder beim nächsten umzug

durch die erinnernd seufzenden hände zu gleiten

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mit mächtigen schlägen

trieb ich maßlos worte in den stein

ihr gesicht erfror ohne antwort

täglich änderte ich meine entwürfe

unbehauen bist du nichts als

ein haufen staub

jammerte mein suff zur

mitternacht

ohne meine irrtümer

herz schrie ich

höre ich auf zu atmen

bedenke dies

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die zerbrochenen stemmeisen füllten mein kopfkissen

und so wunderte ich mich nicht

wenn ich nachts erwachte

mit zettels haupt

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ich hatte davon geträumt ein meer zu modellieren

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(oktober 2000)

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